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Montag, 27. Februar 2023

Von den Gärten der Erde - Elisabeth Dauthendey: Lieder aus meinem Garten

 



Zum Beginn des neuen Gartenjahres: Ich möchte Auszüge aus einem Buch vorstellen, dessen Titel mich sofort ansprach, zumal mir die Schriftstellerin bekannt war: Von den Gärten der Erde - Ein Buch der tiefen Stille, von Elisabeth Dauthendey, Schuster & Loeffler, Berlin 1917

Spannend für mich ist auch das Erscheinungsjahr dieses Buches: 1917 - Es ist ein Kriegsbuch, auch wenn der Weltkrieg (damals wussten sie es noch nicht, dass es der erste sein sollte) dort nicht vorkommt. Es ist sowohl Sehnsuchtsbuch, das sich von der unerträglichen Welt abwendet, zugunsten eines kleinen, stillen Paradieses. Es ist jedoch auch ein Buch, das Stimmungen beschreibt, die ein Garten auslösen vermag, unabhängig von den Zeitläuften. Gerade ich als Gärtner weiß das. So mein Tipp: Dieses Buch mit in einen realen Garten nehmen, und zwischen den Gartenarbeiten sich ab und zu auf die Banke zu setzen, um darin zu lesen. Dann kann geschehen, was in diesem Buch beschrieben steht:
„Hier steht die Zeit still. Vor den Pforten deines Gartens lässt du sie zurück.“

Elisabeth Dauthendey, geboren am 19. Januar 1854 in Sankt Petersburg; gestorben am 18. April 1943 in Würzburg. Erfolgreich war sie vor allem mit ihren Märchen und Novellen, die eine mythische bis mystische Phantasiewelt entwarfen. Ihr Halbbruder war der Dichter Max Dauthendey.

Als „Halbjüdin“ drohten Elisabeth Dauthendey ab 1933 Berufsverbot und Verfolgung durch die Nazis. Sie versuchte dieser Gefahr mit konsequenter schriftstellerischer Enthaltsamkeit zu begegnen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die letzten Lebensjahre waren deshalb von erheblicher finanzieller Not gekennzeichnet. Sie starb in ihrem neunzigsten Lebensjahr.

Das Bild ist von Odilon Redon (1840 - 1916)


Lieder aus meinem Garten


Sommertag

Schatten im Grase, spielendes Laub,
Huschender Flug im Gezweige,
Tanzendes Gold auf den Wegen,
Überall Reife und Segen.
Wärme brütet auf Baum und Haus,
Schleierzart ziehet die Wolke,
Leben streckt segnende Hände
Über Mensch, Tier und Gelände.


Das ewig junge Lied

Mein Garten singt und blüht
Das ewig junge Lied,
Das Lied, das alle Welten kennt
Und aller Herzen Namen nennt.
Das Lied, das über die Meere geht,
In allen Winden der Erde weht.
Das Lied, das wie die Sonne glüht
Und süß wie purpurne Rosen blüht.
Das Lied, das im Paradiese geboren,
Sich seltsam zu unserer Seele verloren,
Das alt ist wie die Ewigkeit
Und ewig jung wie Freud und Leid.


Das Leben träumt in meinen Garten

Das Leben träumt in meinem Garten.
Es schloss die Türe hinter sich zu.
Lässt alles draußen liegen und warten.
Und segnet selig hier meine Ruh.
Und rührt mit stillen, segnenden Händen
An Baum und Strauch, an Duft und Wind.
An alle Stille, an alles Bewegen rührt es lind.
Dann huscht es hinaus zu fernen Dingen -
Und lässt mir im Garten ein goldenes Klingen.


Ein Meer der Stille bist du

Ein Meer der Stille bist du –
Ein tiefes, tiefes Meer.
Und meine Seele gleitet in selger Ruh
Den letzten Heimlichkeiten deiner Tiefe zu.
Ein unerschöpflich Bronnen
Aus deiner Tiefe quillt,
Und in des Lebens Weben ganz versonnen,
Fühl ich mich reich und warm mit ihm versponnen.


Von Freude ein tanzender Reigen

Mein Garten ist eine Welt für sich,
Rings stehen wie Mauern das Schweigen,
Und trennt meine Welt von all den andern.
Ewiger Sonntag erwartet mich,
Von Freuden ein Tanzender Reigen.
In Seligkeiten kann ich hier wander.
Weit eine Welt zwischen mir und den andern.


Mein Tag

Der Abend verglimmt in silbernen Schein.
Mein Tag, du vergehst -
Doch du warst mein.

Warst mein mit all deinem reichen Sinn,
Mit der heiligen Kraft,
In der ich bin.

Du lösest dich auf im Abendglühn.
Doch du warst mein -
Still lass ich dich ziehn.


Mittagsstille

Ein leises Wehen nur, das in den Bäumen spielt,
Und über lachenden Blumen ein Schmetterling.
Eines Vogels verlorener Ruf aus dem Gezweig -
Sonst reife Sonnenstille über allem Ding.
So wie die Glückesfülle das Herz fromm stille steht,
Geht Mittagsstille über all Leben wie ein Gebet.


In meinem Garten rauscht ein tiefer Brunnen

In meinem Garten rauscht ein tiefer Brunnen,
Und unerschöpfliches singt mir sein Sang.
Da kann ich lauschen und immer lauschen
Viel Zeiten langen.
Aus allen Weiten tönen die Stimmen,
Aus jeder Ferne kommt reich ein Klang,
Und ohne Müde mit pochendem Herzen
Lausch ich dem Sang.


Endlos aus einem tiefen Bronnen

Endlos aus einem tiefen Bronnen
Rinnt mir ein selig Lied.
Flattert lachend und unbesonnen
Hin über Weg und Steg.
Rauscht durch die Luft wie Vogelsang.
Glüht wie tausend schwingende Sonnen,
Verweht mit der Wolke, die leise und lind
Dort über die Berge zieht.

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