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Sonntag, 13. Oktober 2024

Klaus der Geiger - Über Freiheit

 



Über Freiheit

Was soll ich machen
Soll ich weinen
Soll ich lachen
Oder
Soll ich gar nichts machen
Mir in die Hose machen
Freiheit
Freiheit unter Versicherung
Freiheit unter Absicherung
Oben abgesichert
Unten abgesichert
Vorne abgesichert
Hinten abgesichert
Drinnen und draußen abgesichert
Das ist keine Freiheit mehr
Genau
Wie Denken Fühlen Handeln
Abgesichert
Das ist das Manko
Die Angst vor Freiheit
Ohne Absicherung

Workshop Musikimprovisation, Alte Schule Fredelsloh, 24. bis 26. September 2024. Das war die Aufgabe, die Klaus als Leitender uns Teilnehmenden stellte: Er hatte sechs kurze Texte geschrieben, die wir reihum vorlasen, nach jedem Text folgte eine etwa eineinhalbminütige Musikimprovisation, in die wir das Gelesene einfließen ließen. Heute der erste Text, über Freiheit, gelesen von Klaus.

Klaus der Geiger, Geige, Sprecher, Text

Erd Ling Judith, Perkussion

Susanne Bartens, Gitarre

Dingefinder Jörg Krüger, Querflöte

Die Bildcollage enthält Schnipsel aus “Teacups” (2023) - Written & Directed by Alec Green & Finbar Watson, Howl (Alan Ginsburg), Animation von Tendor Luzanov, Maija - Film de diplôme, promotion 2019. Graduation film, class of 2019. Directed by : Arthur NOLLET, Julien CHEN, Emma VERSINI, Pauline CHARPENTIER, Mégane HIRTH, Maxime FARAUD;; POILUS by ISART DIGITAL; Züri brännt, Videoladen Zürich, 1981 - It´s Art not Crime

Samstag, 21. September 2024

Zur Erinnerung an Anita Augspurg

 



Weckruf zum Frauenstimmrecht

Heran! Ihr Schwestern allumher,
Der neuen Botschaft freudig lauscht.
Fühlt als Rechtlose euch nicht mehr,
Unsrer Freiheit Banner rauscht,
Unsrer Freiheit Banner rauscht!

Gleiches Recht für uns wie für euch,
So tönt unser siegender Ruf.
Der Gott, der die Menschen erschuf
Der wollte sie aufrecht und gleich.

Die Frau - will werden frei!
Die Frau - soll werden frei.

Voll Mut voran, die Stirne hoch!
Zerschellt das alte Joch!

Voran! Trotz Spott und Widerstand,
Wir kämpfen kühn, wir kämpfen heiß,
Tochterrecht im Vaterland,
Bürgerrecht ist unser Preis,
Bürgerrecht ist unser Preis!

Stehet fest im mutigen Ringen,
Steht treu und einig geschart;
Wir lassen von Macht uns nicht zwingen,
Wir sind nicht von minderer Art.

Aus der ersten Ausgabe der Zeitschrift Frauenstimmrecht von April/Mai 1912 mit dem von Anita Augspurg geschriebenen Lied „Weckruf zum Frauenstimmrecht“, die zur Melodie der Marsellaise gesungen werden sollte, mit dem damals zeittypischen Pathos.

Anita Augspurg, geboren am 22. September 1857 in Verden (Aller); gestorben am 20. Dezember 1943 in Zürich, Fotografin, Schriftstellerin, Juristin, Pazifistin und Aktivistin der bürgerlich-radikalen Frauenbewegung.

Seit 1889 unterhielt Augspurg Kontakte zu Hedwig Kettler in Weimar. Sie wurde Mitglied von deren Deutschen Frauenverein Reform (später Frauenbildungsreform), der sich für das Frauenstudium einsetzte, und trat der 1890 in München gegründeten Gesellschaft für modernes Leben bei. In beiden Vereinen engagierte sie sich durch öffentliche Auftritte als Rednerin und Rezitatorin, die Aufsehen erregten und sie bekannt machten. Spätestens jetzt begann Augspurg, sich in der Frauenbewegung für Frauenrechte zu engagieren.

Schon 1894 hatten Augspurg, Sophia Goudstikker und die vor kurzem von Wiesbaden nach München übergesiedelte Ika Freudenberg in München die liberale Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau als Sammlungsbewegung gegründet, der zahlreiche Prominente aus Politik, Wissenschaft und Kunst angehörten und die nach Augspurgs Austritt den Namen Verein für Fraueninteressen annahm, unter dem sie heute noch existiert. Augspurg und Goudstikker galten mit ihren Kurzhaarfrisuren, ihrer Reformkleidung, ihren öffentlichen Bekenntnissen für den Kampf der Frauenbefreiung und ihrem modernen Lebensstil als zwei auffällige Erscheinungen ihrer Zeit.

Um 1899 war es innerhalb der Frauenbewegung zu einem Zerwürfnis gekommen, das sich vordergründig am Umgang mit dem Thema Prostitution, grundsätzlicher jedoch auch an Fragen des Vorgehens entzündete. Augspurg und ihre Weggefährtinnen Minna Cauer, Katharina Erdmann sowie ihre spätere Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann befürworteten ein kritischeres, stärker programmatisches Vorgehen als die fortan als „gemäßigt“ bezeichnete, eher pragmatische Mehrheit um Helene Lange und später Gertrud Bäumer. Die „Radikalen“ um Augspurg und Cauer organisierten sich in der Folge im neu gegründeten Verband fortschrittlicher Frauenvereine, während der Bund Deutscher Frauenvereine die Mehrheitsfrauenbewegung repräsentierte. Um diese Zeit trennte sich Augspurg auch von ihrer bisherigen Lebensgefährtin Goudstikker, die in Bayern in der Frauenbewegung aktiv blieb und fortan mit Ika Freudenberg zusammenlebte. Augspurg selbst bezog nach einiger Zeit mit Lida Gustava Heymann eine gemeinsame Wohnung in München.

Augspurg und Heymann wurden in den Vorstand des Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine gewählt. Anders als die „Gemäßigten“, die in erster Linie auf Mädchenbildung und praktische Verbesserungen setzten, priorisierten sie früh das Frauenwahlrecht und gründeten zu diesem Zweck 1902 in Hamburg den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht sowie 1907 den Bayerischen Landesverein für Frauenstimmrecht. Bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs übten sie in der sich zersplitternden deutschen Frauenstimmrechtsbewegung einen großen Einfluss aus. Von 1907 bis 1912 gab Anita Augspurg die Zeitschrift für Frauenstimmrecht heraus, von 1912 bis 1913 die Zeitschrift Frauenstimmrecht und ab 1919 die Zeitschrift Die Frau im Staat, in der feministische, radikaldemokratische und pazifistische Positionen vertreten wurden.

Im Ersten Weltkrieg nahmen Augspurg und Heymann an internationalen Frauen-Friedenskonferenzen teil, darunter am Internationalen Frauenfriedenskongress im April 1915 in Den Haag, und hielten illegale Versammlungen in ihrer Münchner Wohnung ab. Gemeinsam mit weiteren Pazifistinnen wie Frida Perlen aus Stuttgart verbreiteten sie Flugschriften gegen den Krieg.

Während der Machtübernahme der NSDAP waren Augspurg und Heymann auf einer Auslandsreise, von der sie nicht nach Deutschland zurückkehrten. Sie befürchteten Repressalien, da sie unter anderem 1923 beim bayerischen Innenminister die Ausweisung des Österreichers Adolf Hitler wegen Volksverhetzung beantragt hatten. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt. Ihre Bibliothek und alle Aufzeichnungen aus ihrer jahrzehntelangen Arbeit in der nationalen und internationalen Frauenbewegung gingen verloren.

Augspurg und Heymann wohnten von 1916 bis zu ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten in Icking in der Villa Burg Sonnensturm, anschließend gemeinsam im Schweizer Exil. Ab 1937 war Augspurg stark pflegebedürftig. Heymann schrieb mit ihr die gemeinsamen Erinnerungen unter dem Titel Erlebtes-Erschautes bis 1941 nieder. 1943 starb Heymann an Krebs. Augspurg überlebte sie nur um wenige Monate. Die beiden Frauen, die mehr als vier Jahrzehnte zusammen gelebt hatten, wurden beide auf dem Friedhof Fluntern in Zürich beigesetzt. (Wiki)

Das Foto zeigt Anita Augspurg im Jahre 1902

Donnerstag, 5. September 2024

Die Summe meiner Teile

 



Die Summe meiner Teile

Spieler, Selbdritt auf der Hallig meiner Sehnsucht
lege ich meine Ideale in den Skat,
alles auf den Prüfstein stellend,
Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart

Das Überlieferte nur Marginalie,
so wenig,
geboren in ganz anderer Zeit,
das war die Stille des Berges der Wahrheit,
so nannten wir ihn in unserer Narrheit,
und waren eine kurze Spanne vor dem Unbill der Zeit gefeit

Mag das siebenfach verhüllte,
Wahrheit nur nackt ist nicht schön,
das stärkste Verlangen ist das Ungestillte,
Schönheit nur nackt ist nicht wahr,
nicht allzufrüh und allzu beflissen
Flagge hissen,
die meisten Fotos der Engel sind nur gestellt,
die eine Zeit ist lange schon vorbei, fast unbemerkt
glitt sie davon. Auf den Kopf gestellte Welt,
durch Schweigen noch verstärkt,

Von allem vielzuviel,
Satellitengestirne,
leissurrend die Drohnen am Himmel;
nur ich,
ich hab mich mit Schmetterlingsflügeln erhoben,
taumelnd in den Winden,
als wenn ich nicht wüsste. . ., nichts wüsste,
ganz ahnungslos wäre,
wie die Meisen, die in der Linde turnen,
die singende Amsel auf dem Dache

Von allem vielzuviel,
von Ausfallstraßen, Krieggeräten, Teller-Ikebana,
nur ich,
ich habe die Sonne getrunken,
von morgendlichen Amseln betört

Von allem vielzuviel,
Wüstenwärme, Steppenstaub;
nur draußen, die Diana,
sie verlor sich in den restlichen Wäldern.
Den wenigen, noch ungestört

Ein Nest zu bauen im Auge des Zyklons,
wenn die Zeit ist, und der Winter geht zur Neige,
dann sammle wie die kleinen Vögel Zweige,
Heu und Federflaum, dass du die zarten Glieder schonst

Gestehen wir es uns ein:
Wir werden immer die Wenigen sein



Die Illustration ist von Dugard Steward Walker (1883  -  1937)

Sonntag, 25. August 2024

Im Märchenreich - Illustrationen von Dörte Helm

 



Dörte Helm, eigentlich Dorothea Amalie Helm, geboren am 3. Dezember 1898 in Berlin-Wilmersdorf; gestorben am 24. Februar 1941 in Hamburg, Malerin, Grafikerin, Bauhaus-Künstlerin. Sie studierte 1918/1919 an der Hochschule der Bildenden Künste Weimar in der Grafikklasse bei Walther Klemm. 1919 folgte der Wechsel an das Staatliche Bauhaus Weimar als Lehrling in der Wandmalerei- und Textilwerkstatt. Ab 1933 wurde sie durch das Reichskulturkammergesetz als „Halbjüdin“ mit Berufsverbot belegt, sie konnte nun nur noch schriftstellerisch (teils unter Pseudonym) tätig sein. Im Februar 1941 erlag sie einer Infektionskrankheit.

1921 veröffentlichte sie das Kinderbuch Im Märchenreich, dort illustrierte sie Verse ihres Vaters Rudolf Helm. Für mich, als märchenaffiner Mensch, sind ihre Illustrationen sehr ansprechend, nicht so überkitscht, und doch märchenhaft. Daher stelle ich hier einige davon vor:
















Montag, 19. August 2024

Wispernde Wogen

 



Wispernde Wogen


I  In der weißen Grotte

Wir wohnen
in der weißen Grotte
am Nachtmeer.
Unseren Schlaf
wissen wir behütet
von den ziehenden Sternen.
Des nachts
schauen Orion vorbei
und Sirius.

Zum Morgen hin
legen wir ein kleines
Feuer an,
für´s Frühstück.
Haben wir Hunger,
so sammeln wir Muscheln,
das Meer schenkt uns reichlich,
und irgendwo im Tale
wächst wilde Minze.

Wir lauschen dem Atem
des Ozeans, er singt uns
bis in die Träume nach,
die hohen stummen Felsen
lehren uns schweigen und schauen.
So vergehen Tag um Tag
im ruhigen Flusse,
im Gezeitenstrom,
in Einheit und Einfachheit.


II  Wispernde Wogen

Wispernde Wogen, des nachts
getragen an schwarzen Sand,
flüstern die Geheimnisse
der Mondgärten, langsam
wachsen wunderliche Pflanzen
in den Hainen der Träume,
schaumgeborene Wesen und
siebenarmige Seesterne,
lila gefärbt durchscheinende Meerschnecken,
spiralgeborene Kinder des Meeres.

Wispernde Wogen, des nachts,
sie flüstern von den
unahnbaren Geheimnissen
des großen grünen Wunders Meer.


III  Morgenmeer

Das Meer ist sanft und glatt wie ein Spiegel
und es spiegelt die ganze Welt.
Es sind alle Träume der Urzeiten
versunken in ihm.
Das Meer ist die weite Seele der Welt.

Heute hat sie Ruhe gefunden,
sie nimmt die Weite des Himmels
in sich auf
und trinkt die Farben des Morgens.

Das Meer liegt still.
Die leisen Wellen
tragen Sonnenflimmer
an den Horizont.
Wie eine weite glänzende Tafel
reicht das Meer an den Himmel.

So werden unsere geläuterten Seelen
eins mit der Ruhe der Meeresmutter
und auch in uns
ergießt sich die heilende Kraft
des Morgenmeeres.


IV  Entlegene Tage

Wer
bin ich?
Ich rief meine Seele -
und tausendfältiges
Echo.

Puls des Ozeans,
unterschiedslos
lagert das Meer
am Saum der Nacht,

spült im Drehen
der Formen
die gewundenen Muscheln
in den Schoß aus Sand.

Dieser Zyklus beruht auf ein reales Erleben, als meine damalige Gefährtin und ich Ende der Achtziger für eine Zeit an einem ganz einsamen Strand (mit schwarzem Sand) im Nordwesten von Teneriffa lebten. Wenn man eine dreiviertel Stunde zu Fuß ging, gelangte man an Frischwasser, dort wuchs auch wilde Minze, und da wir uns diesen Ort für eine Fastenzeit ausgesucht hatten, war im Grunde für alles gesorgt. Und als Speise zum Fastenbrechen sammelten wir Lapas (Napfschnecken), die wir zusammen mit Miso und etwas Hirse zu einer Suppe kochten.

Das Bild "Sonnenuntergang am Meer" ist von Ludwig de Laveaux. (1868 - 1894)

Mittwoch, 7. August 2024

Musikerinnerung: Kruder & Dorfmeister - G Stoned

 



Musikerinnerung - Im Sommer vor dreißig Jahren (1994) betrat ich wieder einmal meinen Lieblingsschallplattenladen in Bremerhaven. Es war ein kleiner Laden, in der "Alten Bürger", wenn ich mich richtig erinnere, und er führte sowohl Gebraucht- als auch Neuware.
Ich war meistens in der Abteilung "Gebrauchte" zu finden, wo ich nach Tanzbaren Ausschau hielt. Ich legte damals ab und zu für kleinere Veranstaltungen als DJ auf (übrigens strictly Vinyl), und kaufte mein Material dafür gerne sowohl auf Flohmärkten als auch in Gebrauchtschallplattenläden.
Meistens blätterte ich mich stillschweigend durch die Bestände, sorgsam von A - Z. Doch diesesmal kam ich mit dem jungen Mann hinter dem Tresen ins Gespräch, der nicht nur Inhaber des besagten Ladens war, sondern selber auch auflegte.
Und er war gerade von einer neuen EP angetan, die er mit einem Leuchten in den Augen mir wärmstens empfahl. Es war "G - Stoned" von Kruder und Dorfmeister. Kurz: Er gab mir die Platte einfach mit, und er sagte mir dabei, ich könne sie auch wieder zurückbringen, wenn sie mir nicht gefiele, was er jedoch nicht glaube.
Und wirklich, er behielt recht, er bekam die Platte nicht zurück. Und ich selber erweiterte seitdem mein DJ - Set um die Sparten "Nu - Jazz" und "Rare Groove".
Die Kruder und Dorfmeister - EP halte ich seitdem in Ehren, und ich höre sie immer noch gerne.
Edit: Man beachte auch das geniale Cover! Simon & Garfunkel lassen grüßen!

Samstag, 27. Juli 2024

Aus der Wortwerkstatt: Krieg und Frieden

 


















Anmerkungen


„Was ich liebe. . .“ von Thekla Merwin, aus dem Gedicht Mutter Erde, Arbeiter-Zeitung vom 19.9.1926


Thekla Merwin, österreichische Schriftstellerin, wurde am 25. April 1887 in Riga geboren.

1911 erschienen Merwins erste Publikationen, anfangs noch gezeichnet mit Thekla Merwin-Blech. Sie veröffentlichte Gedichte, Feuilletons, kurze Prosawerke und Dialoge in dutzenden Zeitschriften und Zeitungen, eine selbstständige Publikation kam jedoch nicht heraus. 1933 wurde sie Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Thekla und Magda Merwin wurden am 24. September 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Mit dem Transport vom 19. Oktober 1944 wurden Mutter und Tochter ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht und am 20. Oktober 1944 in der Gaskammer des Krematoriums III ermordet.


Die Tabelle der Kriege im Teil III ist aus Wikipedia. Ich habe mich auf die Einträge ab 1957 beschränkt, meinem Geburtsjahr. Der erste dokumentierte Krieg fand im fünfundzwanzigsten Jahrhundert vor Christus statt, der Lagaš-Umma-Krieg in Südmesopotamien. Seitdem verging kaum ein Jahr auf Erden ohne einen bewaffneten Konflikt. Die Liste ist lang.