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Sonntag, 31. März 2019

Ein Wandervogel in Fredelsloh



„Fredelsloh ist vor allem ein Außeneindruck. Steht man auf der letzten Weperhöhe und sieht das Dorf im ersten Schnee zusammengekauert zu seinen Füßen, so scheint der mächtige Kirchenleib mit den schweren Türmen wie ein ruhender Löwe dahingestreckt vor seinem Hügel zu wachen. Bursfelde ist in Buntsandstein gebaut, Fredelsloh in sorgfältigen Quadern. Durch Umbauten ist der Eindruck im Innern sehr erschwert. Aber das Querschiff und die aus dieser Breite mit einem Blick zusammengefaßten drei Apsidenrundungen, alles in strenger, herber Ziellosigkeit, das bleibt ein mächtiger Raumeindruck trotz des quälenden, großen Barockaltars. Ein Taufstein ist erhalten, rund mit kräftiger, sechseckiger Einfassung, einfach und gut“.

Aus: Frank Fischer „Romanische Kirchen in Südhannover“, Wandervogel e. V., Fahrtenblatt des Gaues Niedersachsen, 1914, Heft 1, gefunden in: „Wandern und Schauen“, gesammelte Aufsätze von Frank Fischer, für die deutschen Wandervögel herausgegeben von Fr. Brauns und W. Liebenow, Göttingen 1918

„Frank Fischer, ein geborener Balte, ist hervorgegangen aus dem früheren `Wandervogel e. V. zu Steglitz“. Seit den ersten Gründungswochen im Jahre 1904 hat er ihm angehört und als Führer und Schriftleiter des `Nachrichtenblattes` großen Einfluß auf die Gestaltung des Bundes ausgeübt. Nach der Steglitzer Zeit kam Fischer 1909 zum Abschluss seiner Studien nach Göttingen. Bald fand er auch hier den Anschluß an den Wandervogel“ (Aus: „Wandern und Schauen“)

Frank Fischer war kein Freund des lärmenden Hurrapatriotismus, so schreibt er unter anderem 1909 im „Nachrichtenblatt des Wandervogels“: „Der Gewinn, den wir schaffen, ist auf lange Zeit unscheinbar, und auch da, wo er als echter Gewinn der Seele heller leuchtet, läßt er sich eben nicht mit raschem Griff für vorgefaßte Ziele verwerten. Vor allem spröde ist, was im Wandern gelernt wird, gegen den `Patriotismus`, der gerade in diesen Tagen durch vergleichende Ermahnung von vielen Seiten erweckt werden soll.  . . .  So kommen für uns keine Vorträge und Schlachtfeldbesichtigungen in Frage, alle die von außen und äußerlich eingreifenden Versuche, Geschichtslehren oder gar Gesinnungen und Instinkte, zum Beispiel die des primitiven Raubtieres, einzuimpfen.“ (Aus dem Aufsatz „Unser Wandern“, Steglitz 1909, gefunden ebenda)

Trotzdem meldete sich Fischer beim Ausbruch des 1. Weltkrieges als Freiwilliger, um schon nach kurzer Zeit am 10. November 1914 beim Sturm auf Langemarck den Tod zu finden.

Sonntag, 17. März 2019

Sonniger Sonntag im Vorfrühling



Sonniger Sonntag im Vorfrühling

Auf dem kleinen Stücklein Nachbars Wiese hinterm Haus,
dies Flecklein grün, da blühn gelb und bunt Kroküsschen,
und ich spitze meinen Wundermund und atme aus
und pfeif´ und sing und brabble ein paar Stüsschen.

An den Haselsträuchern baumeln schon die Kätzchen rum,
und auch mir ist tatenarm gedankenlos nach Hängen,
nach Ausdehnen in der Wärme, und es treibt mich um,
dass es die Männerblüten sind. Ich kann es nicht verdrängen.

Die Frauen, scheinbar unscheinbar, verstecken sich als rote Narben
im Astgewirr, ich muss schon genauer schauen, sie zu entdecken.
Doch einmal gefunden, ist das Rot so kussmundfarben,

und ich passiv und windbestäubend möchte sie erwecken,
um mich an das hinzugeben, was da gerade ist, beziehungsweise
das hinzunehmen, dieses Sein. „Selig, selig“, sag ich weise leise.

Freitag, 15. März 2019

Aus Dingefinders unergründlicher Plaudertasche: Erdbeeren im Winter



Zu Hause höre ich kein Radio. Doch einmal in der Woche komme ich zu diesem fragwürdigen Genuss, wenn ich frühmorgens in der Backstube des Biohofes ein Dorf weiter mithelfe. Während des Brotbackens läuft dort das Radio. Manchmal ist die Musik ganz nett, manchmal nervig. Immer nervig ist die Werbung. Und dort bekam ich heute zu hören, dass ein Supermarkt zum Superknallerpreis Erdbeeren anbietet, die 500 g – Schale nur 1,11 €. Das ist günstig, zumal am 15. März.

Ich erinnerte mich dabei daran, dass ich vor einigen Jahren, schon am 25. Februar, folgenden Blogartikel schrieb:

Erdbeeren

Ortswechsel. Einkauf im nahen Supermarkt. Gleich im Eingangsbereich platziert lockt ein Obststand mit Beerenobst. Frische Erdbeeren, biozertifiziert, groß und prall unter Folie verpackt. Sie wirken, als hätte sie ein geschickter Designer naturgetreu aus Plastik nachgestellt, und in meiner Vorstellung schmecken sie auch so. Hier ist ein anderer Traum vom Paradies ausgestellt als der aus dem vorhin durchschrittenen Obstgarten. Immerwährende Fruchtfülle, Erdbeeren aus Marokko neben Blaubeeren, Himbeeren von Irgendwo, dazu, noch exotischer, Mangos, Litschis, Granatäpfel. Hier verschwimmen Jahreszeiten und Orte, hier ist jederzeit Frühling und Sommer.

Mir sind diese Erdbeeren zu früh, sie sind außerhalb der Kinderzeit, wo alles zu seiner Zeit am Ort war, und die Osterhasen nicht schon im Januar in den Läden standen. Ich bin da altmodisch. Auch letztes Jahr hatte ich es geschafft trotz aller Verlockungen zu warten, bis die ersten Erdbeeren in meinem Garten knallereif waren, dunkelrot und nicht mehr transportfähig über große Strecken. Die erste Erdbeere im Jahr, sonnenwarm und duftend, wird mir dann zu einem Fest. Mein Paradies ist ein sehr temporäres.

Alles hat seine Zeit, und jetzt ist hier die Zeit der Winterlinge und der Vorfreude. Und Erdbeeren im Februar? Ich öffne ein Glas Fruchtmus aus dem letzten Sommer, hergestellt aus frischgepflückten, vollreifen Erdbeeren, verfeinert mit Rosenblättern der Rose de Resht. Ein köstlicher Duft steigt nach dem Öffnen des Glases auf, und ich spüre, wie mich eine Ahnung des Sommers anweht. . .