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Samstag, 16. März 2024

Also sprach der Pfarra Noia - Eine Collage

 

Das Wort zum Sonntag von Pfarra Noia:

Der Sonntag ist ein Regentag,
so dass ich mich nicht bewegen mag.
Soviel, sovieles vorgenommen,
doch draußen ist die Welt verschwommen.
Gestern glücklich, heute müd,
wenn man die Welt wie durch Milchglas sieht.

Eines ist wohl sicher richtig:
auch das Glück ist äußerst flüchtig.
Lohnt nicht, dran festzuhalten,
naht ihr wieder, flüchtige Gestalten.
Ja, das Glück ist äußerst scheu,
drum entdeck es täglich neu:
Du kannst glücklich sein,
solang du nicht vergisst,
dass jedes Glück ein Augenblicksglück ist.

Das gilt auch für Schulze, Müller, Meier

Also sprach der Pfarra Noia



Die Mittwochspredigt des Pfarra Noia:

So manche, mancher hängt da gern
seinen Karren an ´nen Stern

Sündigen so ganz verstohlen,
um dann unverhohlen,
zur Beichte gehn,
so bleibt die Selbstbefleckung ungeschehn,

wobei letzteres ja eigentlich nix Schlimmes ist,
es sei denn, er glaubt den ganzen Mist,
und so mancher glaubt, und lebt,
was der Algorithmus an ihn klebt

Stirbt die Kuh,
wird die Butter teuer

Also sprach der Pfarra Noia


* * * 


Frau Klapproth heute in der Ehrenloge
im rosasamtenen Theatersaal.
Sie genießt dort ihre Lieblingsdroge,
Meister Laya predigt wieder mal.

Tief in seinen weisen Wortfluss einzutauchen,
das ist ihr innerlichst Begehr,
dabei die eigne Seele auszuhauchen,
Hingabe ohne Gegenwehr.

Dafür ist sie auch bereit zu Zahlen,
in Münzen kling und Scheinchen knister.
Diese Tätigkeit bereitet ihr recht wenig Qualen,
ist doch ihr Bettgenoss A. D. - Minister.

So hat alles seine Richtigkeit,
die Weisheit, das Geld und die Moral.
Und dunkler dämmen sich die Lichter,
dort, im rosasamtenen Theatersaal.

* * *

traudingsbums
ne ne

kaldaunen im schnee

krakauer auf halde
warte nur balde

frutti di mare
von der wiege bis zur bahre


Zuguterletzt ein guter Rat:

Willst du auffallen
in Kaufhallen,
dann musst du draufknallen
auf die Eier,
dass es patscht.
Und matscht.
Und sagen: Was ist dabei?
Jetzt laufen sie frei!

Ein guter Rat ist nie zu teuer

Also sprach der Pfarra Noia


Pfarra Noias Tageslosung für Freitage:

Weißt du schon oder glaubst du noch?
Was glaubst denn Du?

Ringelreihen
oder Blindekuh?

Ich seh etwas, was du nicht siehst,
oder lieber Schiffeversenken,
das Spiel der neuen Zeit,
Himmel und Hölle
zu verschenken,
es ist soweit
sei bereit:

Vor allen Dingen
den Tag in milder Agonie verbringen
„Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein. . .“
Wenn nachts der Bildschirm flimmert,
himmelwärts der letzte Stern verschimmert

Was glaubst denn Du?
Ach, weiß der Geier -

Also sprach der Pfarra Noia



Lebe grenzenlos

Lebe grenzenlos.
Dein Heimatland:
Die Blüte am Wegesrand

Glaube niemandem mehr.
Dein Weg ist, wo Du Dein Herz spürst.
Es ist nicht schwer

Es gibt nichts, was Du verlierst.
Die Welt ist so groß.
Lebe grenzenlos


Verwendete Musik:

The Westcoast Workshop - The Dowser And The Thaumaturgist (1967)
Bruno Spoerri Brogues In Robes
Kali Bahlu - How Can I Tell My Guru? (1967)

Uhura singing


Dingefinders LYRA: LYRA ist die Abkürzung für LYrikRAdio und bezieht sich auf die Audiospur. Die Bilder sind für YouTube dazu gekommen. Das Projekt verfolgt keinerlei kommerzielle Zwecke, weder der Blog (Die Anderen Seiten) noch der YouTube-Kanal sind monetarisiert. Die Reihe wird fortgesetzt.

Wenn schon alles gesagt, gesehen und gehört worden ist, ist die Collage vielleicht die Kunstform der Zukunft.

Freitag, 15. März 2024

Erinnerung

 



Erinnerung


Selbstverständlich
bin ich eine Insel,
und ja, das Meer ist groß,
und allumfassend

Sage mir, in welchem Meer dein Floß treibt,
ob mit oder ohne Segel,
ob mit oder ohne günstige Winde
oder Strömungen

Wieder die Veilchen, März,
alle Türen geöffnet -
Was würde es helfen, wenn wir wüssten?
Auch Schlüsselblumen öffnen

ihre Kelche. Unvergessen:
damit vierblättrige Kleeblätter
Glück bringen, musst
du sie verschenken, von Herzen,

und ja, das Meer ist groß
und allumfassend

(Das Bild ist von Odilon Redon 1840 - 1916)

Zur Erinnerung an Daevid Allen

 



Zur Erinnerung an den Musiker (Christopher) Daevid Allen, der am 13. 3. 2015 verstarb

Geboren 1938 in Melbourne kam er 1961 nach Europa, zunächst nach Paris, dann nach London, wo er 1963 mit Bassisten Hugh Hopper und dem Schlagzeuger Robert Wyatt das Daevid Allen Trio gründete, aus dem die Band Soft Machine hervorging.

1968 gründete er dann die legendäre Gruppe Gong. 1976 stieg er (zusammen mit seiner Frau Gilli Smyth) aus der Band aus und nahm ab da Alben unter eigenem Namen und mit wechselnden Musikerinnen und Musikern auf, mit Here & Now / Planet Gong (1978); Gilli Smyth / Mother Gong, mit Invisible Opera Company of Tibet, Magick Brothers, University of Errors, Acid Mothers Temple (2004) und anderen.

Daevid Allen starb am 13. März 2015 im Alter von 77 Jahren in seiner australischen Heimat. Sein Sohn Orlando schrieb einen Nachruf, den er mit Versatzstücken aus Allens Texten und Pseudonymen begann: „And so dada Ali, bert camembert, the dingo Virgin, divided alien and his other 12 selves prepare to pass up the oily way and back to the planet of love.“


Garden Song (1995)

What shall we grow in your garden, my dear
If my seed comes to breed in your nursery?
A dolphin or a Deva or a true devotee
So your love might never grow thirsty

For a soul is so real and so whole and so free
And a body is so frail and so human are we
Are we dreaming?
Is this the Earth dreaming too?
Will we live till we die, wondering why
Or will we learn to grow

Day by day by
Day by day by day?

With the fruit of your labour asleep at your breast
Will you nurture them softly and quietly?
And when, next thing, the offspring have flown from the nest
Can you love them and let them go quietly?

For a soul is so real and so whole and so free
And a body is so frail and so human are we
Are we dreaming?
Is this the Earth dreaming too?
Will we live till we die, wondering why
Or will we learn to grow

Day by day by
Day by day by
Day by day by day?

And here comes the autumn when leaves turn to gold
And the waning moon silvers me lightly
In the afternoon sun, it's good fun to grow old
As you hold me and lie with me For your love is so real and so whole and so free

And your body is so frail and so human are we
Are we dreaming?
Is this the Earth dreaming too?
Will we live till we die, wondering why
Or will we learn to grow

Day by day by
Day by day by
Day by day by day?

And when old Father Time rings the chimes of my years
And I see my life turning around me
When you lay me down in your garden, my dear
Will you kiss me and let me go lightly?

For a death is so real and so whole and so free
And a body is so frail and so human are we
Are we dreaming?
Is this the Earth dreaming too?
Will we live till we die, wondering why
Or will we learn to grow

Day by day by
Day by day by
Day by day by
Day by day by
Day by day by
Day by day by
Day by day by day?

Montag, 4. März 2024

Aus Dingefinders unergründlicher Plaudertasche: Geheimnis

 


Ich habe ein Geheimnis. Es ist mein ganz eigenes Geheimnis, und so lange ich es niemanden erzähle, bleibt es auch das: Mein ganz eigenes Geheimnis. Es gibt wohl verschiedene Arten Geheimnis. Zum einen die, welche man gerne verschweigen möchte, die kleinen Sünden und Unebenheiten der Seele. Das möchte dann eher "bei sich" behalten werden, und ist doch für scharfe Augen sichtbar: Offene Geheimnisse.

Oder diese Art Geheimnis: Der geheime Name, der nicht genannt werden darf, da sonst andere Wesen Macht über dich erringen können. "Oh wie schön, dass niemand weiß. . ."

Doch mein Geheimnis gehört weder zur ersten noch zur zweiten Art. Es ist einfach nur darum ein Geheimnis, weil es unaussprechbar ist. Ein Geheimnis, für das der schöne Ausdruck "unwörterbar" erfunden wurde. Es ist ein gutes Geheimnis. . .

(Die Illustration zeigt einen Scherenschnitt um 1900)

Sonntag, 3. März 2024

Der Tage ziehende Wunder

 



Der Tage ziehende Wunder

Sei ein Garten.
Haben lässt sich da nichts.
Ein jedes Wesen gehört sich selbst

Die Tage des Jahres,
wie sie dahinziehen.
Wer vermag den Wolken zu lauschen

Wir tragen Finsternisse
in uns. Manches
wäre so simpel

Wer verdient mich?
Des Veilchens Blick in den Himmel,
verwegenes Sehnen

Haben lässt sich da nichts,
ein jedes Wesen gehört sich selbst.
Sei ein Garten

Aus: Buch der erfüllten Wünsche von Tom Seidmann-Freud

 



Aus: Buch der erfüllten Wünsche von Tom Seidmann-Freud


Tom Seidmann-Freud wurde am 17. November 1892 in wien als Martha Gertrud Freud geboren. Ihre Mutter Maria (Mitzi) Freud war eine Schwester des Psychoanalytikers Sigmund Freud. Im Alter von 15 Jahren nahm sie den männlichen Vornamen Tom an und nannte sich Tom Freud. Sie besuchte nach dem Schulabschluss eine Kunstschule in London und widmete sich Bilderbüchern im Jugendstil. Erste Erfolge stellten sich ab 1914 mit eigenen Veröffentlichungen ein.

Von 1918 bis 1920 lebte sie in München. Im Jahr 1920 lernte sie den Schriftsteller Jakob (Jankew) Seidmann kennen, die beiden heirateten 1922 und gründeten den Peregrin-Verlag, in dem auch ihr bekanntestes Werk 1923 erschien, das Bilderbuch Die Fischreise. Die Illustrationen in diesem Buch weisen Stilelemente von Neuer Sachlichkeit und Expressionismus auf. Geschildert wird der Traum eines Jungen: Peregrin, das ist der Ausländer, der Fremde, der Bürger zweiter Klasse. Peregrin träumt von einem Fisch, der ihn in eine Traumwelt bringt. „Es spricht der Fisch: Komm mit, die Welt ist weit und viele Ufer sind!“ Peregrin landet so in einer paradiesischen Traumwelt, in der alles so ist, wie es sein soll: „Dies Land ist das beste, das ich mir denken kann, es sind die Tage Feste, die Welt ist da sehr eben, und hell ist es zu leben von nun und immer an!“ Dieses Buch widmete sie ihrem jüngeren Bruder Theodor, der im Alter von siebzehn Jahren beim Baden ertrank.

Illustration aus Die Fischreise

Weitere Bücher von ihr sind unter anderem Buch der Hasengeschichten (Peregrin 1924), Das Wunderhaus - Ein Bilderbuch zum Drehen, Bewegen und Verwandeln (Herbert Stauffer, Berlin 1927), Das Zauberboot (Herbert Stauffer, Berlin 1929), Buch der erfüllten Wünsche (Müller & Kiepenheuer, Potsdam 1929). Das Wunderhaus und Das Zauberboot wurden Bestseller mit hohen Auflagen. Mit diesen Büchern nahm Freud die Idee der Verwandlungs- und Kulissenbücher des 19. Jahrhunderts wieder auf und entwickelte sie weiter. Mit dem Machtantritt der Nazis gelangten ihre Bücher auf den Index.

Während der Weltwirtschaftskrise im Herbst 1929 ging der Peregrin-Verlag bankrott, und Jankew Seidmann nahm sich das Leben. Tom Seidmann-Freud erkrankte daraufhin an einer schweren Depression, von der sie sich nicht mehr erholte. Am 7. Februar 1930 starb sie an einer Überdosis Schlaftabletten. Ihre Mutter Marie wurde 1942 von Wien nach Treblinka deportiert und dort ein Opfer des Holocaust.

Hier nun einige Seiten aus ihrem Buch der erfüllten Wünsche: 



Karls Zeichnung

„KARL, KARL, KARL,
SETZ DICH HIN UND MAL!“

Karl malt ein Haus mit Fahnenstangen,
ein Kind mit Flecken auf den Wangen,
einen Garten, einen Zaun,
einen Hund, besonders böse anzuschaun,
und oben links noch eine bunte Kuh,
dann klappt er seinen Farbenkasten zu.

Auf einmal wird das Ganze ganz lebendig,
im Hause raschelt es inwendig,
und aus dem Fenster schaut und nickt die Frau.
Die Fahnen flattern in dem Himmelblau,
unruhig läuft der Hund im Bild herum,
die Kuh frisst Gras und macht ein groß Gebrumm.
Das Kind mit seinen roten Wangen
hat eben erst zu spielen angefangen,
es trudelt seinen Reifen, wirft den Ball.
Da öffnet sich die Haustür auf einmal,
es kommt ein zweites Kind herausgelaufen,
mit einem Körbchen, um was einzukaufen,
ein Kätzchen blickt verstohlen um die Ecke,
und eine Ziege knabbert an der Hecke.
Von links kommt auch ein Wagen angefahren.
- VIER DINGE, DIE NOCH NICHT GEZEICHNET WAREN!

„KARL, KARL, KARL,
SETZ DICH HIN UND MAL!“




Das Haus in der Mitte der Stadt

In diesem Hause im Herzen der Stadt
wohnen nur Kinder ganz für sich allein.
Vorne grenzt das Haus an die Straße,
aber der Garten hinter dem Haus geht so weit,
daß kein Kind noch sein Ende gefunden hat.
Im Garten ist ein Sandhügel,
im Garten ist ein runder Teich mit Schiffen,
im Garten ist ein Spielplatz mit Schaukeln und Turngeräten und Wippen.
Da ist ein Ziegenwagen, in dem die Kinder kutschieren.
Bei den Beeten stehen Gießkanne, Harke und Schaufel.
Hund und Katze und kleine Kätzchen wohnen im Hofe.
Das Haus hat viele Balkone
und Zimmer mit Spielzeug
und Zimmer mit Musikinstrumenten.
Aber vorne grenzt es an die Straße:
man kann gehen und seine Mutter besuchen
und sehen, wie sie am Fenster sitzt, Ausschau hält
und die Strümpfe und Höschen flickt,
die beim Spielen zerrissen sind.





Gabriel wird ein Eichhörnchen

Zur Belohnung für Geduld und gute Taten
wurde Gabriel ein EICHHÖRNCHEN.
Und nun wohnt er in dem Fichtenwalde,
pflegt sein Herz mit Eichelnüßchen und mit Fichtenzapfen,
schwingt sich froh von einem Ast zum andern,
seinen Buschelschwanz als Steuer nutzend.

Nur vor FÜCHSEN, ILTIS, FALKEN, EULEN
hat er sich in acht zu nehmen,
und die Nahrung muß er selbst beschaffen,
für den Winter was zusammenraffen;
denn im Walde kann man gar nichts kaufen,
keine Milch und keinen Kuchen.
Gabriel muß in die Felder laufen
und die vollen Ähren suchen.
Gabriel muß ganz verstohlen
sich die Früchte von den Bäumen holen,
ihrer süßen Kerne wegen.
Danach kann er nestwärts flitzen,
schaukelnd in der Sonne sitzen
und sich Fell und Pfötchen pflegen.



Die Raumfahrt

Robert hat ein Schiff gebaut,
mit dem kann er im Weltraum fliegen,
schon sieht er Mond und Sonne liegen,
und Sterne mit Ringen und kleinen Trabanten.

Des Mondes Täler sind wie ein Gesicht,
da fürchtet sich der Robert nicht,
er fährt sehr dicht an ihn heran
und schaut sich ihn von der Nähe an.
Manche Sterne sind dunkel, manche licht,
die Landschaft ist zum Verwundern,
die Bäume erkennt er als Bäume nicht,
und Berg und Bach und Meer und Sand
sind anders, als er zu Haus gekannt.


Bei der Staatsbibliothek Berlin ist das Werk digitalisiert, hier der link dazu: 

Auf dem Blog Yupedia - Fußnoten zur Geschichte ist ein sehr guter Artikel zu der Autorin zu finden: 

Dienstag, 27. Februar 2024

Verborgen

 



Verborgen

Ich schlafe den Schlaf der Gesundung
in meiner Höhle tief drunten im Wald,
über mir rauschen die Winde,
Baumwipfel neigen sich schwer,
und wie aus sternreichen Fernen
rauscht in meinen Träumen ein Meer

Die Welt draußen erstarrte im Kalt,
erstarrte in Trauer und Not,
Krieger nahmen den Segen vom Kinde,
doch in meinen tiefsamtenen Träumen
atmet die heimische Küche,
schneidet die Mutter das Brot

Aus wehmütig erhellten Tavernen
klingt Spiel, das sich im Dickicht verliert,
meine Hand umfasst mahnend die Pinne,
in meinem Herzen steigt eine Flut,
zwei Augen nachtblau in Wolken gebettet,
ein Falter, der auf schwankender Blüte ruht

Ein Käfer auf wankendem Halme der Ähre zu,
ein Ahnen im Summen des Sommers der Linde,
auf Tischen lockt Speise, glänzt Wein,
ach, wären wir doch alle gerettet,
ein Wirbel im Reigen tanzender Schuh,
so ruf ich in alldem meine Frage hinein

Die Antwort des Draußen verhallt,
ein heilsames Kraut auf meiner Verwundung,
ich schlafe den Schlaf der Gesundung
in meiner Höhle tiefdrunten im Wald

(Das Bild „Frühlingsabend“ ist von Hugo Simberg, 1873 - 1917)