Zum Beginn des neuen Gartenjahres: Ich möchte Auszüge aus einem Buch vorstellen, dessen Titel mich sofort ansprach, zumal mir die Schriftstellerin bekannt war: Von den Gärten der Erde - Ein Buch der tiefen Stille, von Elisabeth Dauthendey, Schuster & Loeffler, Berlin 1917
Spannend für mich ist auch das Erscheinungsjahr dieses Buches: 1917 - Es ist ein Kriegsbuch, auch wenn der Weltkrieg (damals wussten sie es noch nicht, dass es der erste sein sollte) dort nicht vorkommt. Es ist sowohl Sehnsuchtsbuch, das sich von der unerträglichen Welt abwendet, zugunsten eines kleinen, stillen Paradieses. Es ist jedoch auch ein Buch, das Stimmungen beschreibt, die ein Garten auslösen vermag, unabhängig von den Zeitläuften. Gerade ich als Gärtner weiß das. So mein Tipp: Dieses Buch mit in einen realen Garten nehmen, und zwischen den Gartenarbeiten sich ab und zu auf die Banke zu setzen, um darin zu lesen. Dann kann geschehen, was in diesem Buch beschrieben steht:
„Hier steht die Zeit still. Vor den Pforten deines Gartens lässt du sie zurück.“
Elisabeth Dauthendey, geboren am 19. Januar 1854 in Sankt Petersburg; gestorben am 18. April 1943 in Würzburg. Erfolgreich war sie vor allem mit ihren Märchen und Novellen, die eine mythische bis mystische Phantasiewelt entwarfen. Ihr Halbbruder war der Dichter Max Dauthendey.
Als „Halbjüdin“ drohten Elisabeth Dauthendey ab 1933 Berufsverbot und Verfolgung durch die Nazis. Sie versuchte dieser Gefahr mit konsequenter schriftstellerischer Enthaltsamkeit zu begegnen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die letzten Lebensjahre waren deshalb von erheblicher finanzieller Not gekennzeichnet. Sie starb in ihrem neunzigsten Lebensjahr.
Das Bilder sind von Odilon Redon (1840 - 1916)
Mein
eigener Garten
Soll
ich von meinem eigenen Garten erzählen –
Ich
bin verliebt in ihn – und Verliebten ist nicht zu trauen.
Sie
sagen meist zu viel Schönes von dem, das sie lieben.
Aber
mein Garten ist so schön, daß, wenn ich tausendmal zu viel sagte,
er immer noch schöner ist, als ich sagen kann.
Ja,
ich bin verliebt in meinen Garten.
Verliebt
in dem höchsten Sinne, daß ich meine Seele an ihn verloren habe.
Aber
er gibt sie mir wieder. Tausendfältig gibt er sie mir wieder. –
Ich
öffne die Tür am Wege.
Nun
kommt mit. Steigt die Stufen zwischen den überhängenden Zweigen der
Tannen und Buchen hinauf, in denen die Sommersonne mit goldenen
Kugeln spielt und zwischen den dunklen Ästen klettern die roten
Glühlampen der Rosen hinauf. So hast du von Schattenspiel und
Lichtleuchten und Purpurfarben ein seliges Willkommen schon beim
Eintritt in meine Welt.
Der
Garten muss uns eine Welt sein, sonst hat er keinen Sinn.
Eine
Welt, an die wir uns selbst verlieren, um uns neu und ganz
wiederzufinden. Weit laß ihn sein, deinen Garten, wenn es möglich
ist. Nicht eng und klein, daß man von hier bis dort seine Grenzen
sieht und immer zwischen Anfang und Ende hin und her geworfen wird
und nie zu jenem seligen Untertauchen in die Freude kommt, das uns
nur die Fülle gibt.
Ach,
ich liebe auch den kleinen Garten des Nachbarn und ich wünsche jedem
unter uns ein Gärtlein, sei es noch so klein – immer ist's seliger
als keines. Aber mein Garten ist weit – weit –
Ins
Grenzenlose und Unendliche schaue ich hier, und täglich finde ich
ein Neues, Unerwartetes, eine heimliche Freude, ein neues, helles
Glück in den vier Winden seiner unerschöpflichen Schönheit.
Ich
habe Traurige hineingeführt, und sie wurden getröstet.
Menschen
der Freude ließ ich ein, und sie tranken sich göttlichen Rausch an
seinem übervollen Becher.
Leidende
fanden den Willen zum Leben in ihm wieder.
So
kommt und schaut, daß ihr ihn erkennt und liebt mit meiner endlosen
Liebe.
Auf
den schattenumhangenen Treppen stiegen wir hinauf.
Nun
teilen sich die Wege.
Wo
nur zuerst hin in diesem Garten ohne Ende. Grenzenlos wie eine selige
Unendlichkeit.
Am
Abhang, der zur Straße fällt, geht ein lauschiger Weg zwischen
blütenduftigen, lachenden Rasenflächen und ernsten, hohen Tannen
und Laubbäumen, die einen grünen Wall zum Wege unten hin bauen. Im
leuchtenden Rasen stehen viele tragende Fruchtbäume, die ein wenig
schwer und nachdenklich ihre Zweige zur Erde senken, sie arbeiten an
den süßen Früchten des Herbstes – stören wir ihre Ruhe nicht.
Überall
siehst du reinliche, sandbestreute Wege zwischen den großen, weiten
Rasenflächen, die voll zarter, wehender Blumen sind, die wie bunte
Teppiche, in tausend Farben gestickt, im Sommerwinde schaukeln. Blau,
weiß und gelb flatterts drüber hin im sanften Rhythmus schwebender
Schmetterlingsflügel.
In
der Mitte ein Rund. Das Herz meines Gartens, zu dem alle Schönheit
hinlugt, von dem aus du in all seine Geheimnisse schauen, und dich in
die Tiefe seiner Welt hineinträumen kannst. Tische und Bänke stehen
da. Rot im lichten Sommergrün. Ein Kranz von dunkelroten Geranien
säumt das Rund. Kirschen-, Apfel- und Pfirsichbäume geben ihren
spielenden Schatten über diesen Platz, von dem das Auge in trunkener
Lust in eine schier überwältigende Herrlichkeit schaut. Viele
hundert altersschöne Bäume jeder Art und jeden Namens fast,
erblickst du von hier an den aufsteigenden Höhen, die den Garten
königlich umbauen.
Und
hebst du den Blick zur Höhe, siehst du dort hoch über allem die
alte, ragende Burg, mit strengen edlen Linien das Bild
hundertjähriger Geschichte umfassend, steigt sie in die glasklare,
seidenweiche Sommerbläue des Himmels und gibt dem Garten den
unsagbar berauschenden Reiz, der uns aus ferner Vergangenheit
wie aus altersgoldener Weite anrührt. Und die Hügel, die zu dieser
Burg führen, sind umwachsen von den adelsstolzen Reben, deren
honigschwerer Saft einst in goldenen Königsbechern und auf stolzen
Bischofstafeln seine Feuer und Verzauberungen spielen ließ und noch
immer spielen läßt. Auf der anderen Seite ragt über den Hügeln
die Kapelle auf; mit ihren runden dunklen Schieferkuppeln, aus denen
spitz die Kreuze aufspringen, liegt sie, von meinen hohen Pappeln
eingerahmt, wie ein Bild von Künstler Hand vor mein schwelgendes
Auge hingestellt.
Und
weiter zur Rechten, wenn du im Garten umschaust, liegt eine Waldhütte
von Birkengeländer umhegt, hohe Tannen stehen stille Wacht davor,
Akazien und Hollunder breiten weithin ihre Zweige vor ihr her und die
weißen bräutlichen Blüten des Jasmins verhängen und mengen sich
mit dem dunklen Tannengezweig und gießen ihren schweren Duft auf die
Wege, die zu diesem stillen Winkel führen. Zur Linken sind gar viele
Plätze da, die zur Ruhe und Beschaulichkeit laden. Tief
eingeschnitten in einer Taxushecke kannst du sitzen und den silbernen
Glockenklängen lauschen, die von der Kapelle alle Stunden den Berg
herabrieseln. Unter den rätselhaften Mispelzweigen, die sich weit
und schallend über eine Bank breiten, kannst du seltsame Träume
erhaschen.
In
allen Winkel blüht und duftet es. Ströme von Licht fallen von den
Bäumen nieder, die ihren Namen von diesem goldenen Regen haben.
Und purpurn und violett und weiß gießt der Flieder seinen
Sommerrausch über deine Seele. Der Rotdornbaum ist von tausend
rosigen Büschen übersät und blühende Ligusterhecken stehen wie
weiße Mauern inmitten der tiefgrünen Rasenflächen. Himbeerrot
leuchten die schweren Dolden der Weigelienbüsche. Birken wehen ihre
grünen Schleier im linden Winde, der von den Wäldern her reine
wohlige Luft bringt.
Im
Hintergrunde leuchten rotbeerige Sträucher.
Ein
weites Rund glüht von Erdbeerfrüchten und Rosen, und beider Düfte
mischen sich zu einem Ton, der wie bebender Harfenklang über deine
Sinne geht.
Ist
das nicht Fülle und Überschwang. –
Und
noch bist du nicht am Ende meines Gartens.
Sieh
dort das wundervolle, große Steinbecken in dreiteiligem Rund barock
gefaßt, wie der Märchenbrunnen aus Kinderland liegt er kühl unter
den hügelansteigenden Bäumen, die ihn mit ihrem Laub geheimnisvoll
umhängen. Maigrüne Weiden und silberstämmige Birken suchen ihr
Bild in seinem dunklen Wasser, blühendes Gaisblattgewinde hängt in
wehenden Guirlanden von den Bäumen nieder, gelbe Schwertlilien
stehen wie goldene Kerzen um ihn her, und aus dem dunklen, ruhenden
Wasser steigen in silbernen Mondnächten der Froschkönig und die
Prinzessin die Stufen hinauf, die zu seinem Grunde führen.
Hier
kannst du dem Märchenzauber lauschen, der seit Jahrtausenden die
Nächte träumender Gärten durchwandelt. Dem Zauber ewiger Jugend,
der alt ist wie die Ewigkeit des Lebens und ewig jung wie die
neugeborene Stunde des Tages.
Hast
du dir Rausch genug getrunken an meinem Garten?
Und
glaubst nun all seine Herrlichkeit zu kennen!
Siehe
aber, noch ist kein Ende.
Mehr
noch wartet dein.
Steig
hinauf zur Höhe. Vier Stufenwege führen hinan. Durch dichte
Laubwege führen sie, von Bäumen fast aller Namen dicht umstanden.
Den Abhang hinunter fließt ein grüner Sammtteppich, von blühendem
Gekräut bunt durchwirkt.
Auf
schmalen, tief verschatteten Wegen wandelst du in traumhaft süßer
Stille, nichts stört dir dein Lauschen und Denken, weit weg von den
kleinen Dingen des Alltags bringt diese Unendlichkeit der Stille
umher die Höhen und Tiefen des Tages zu dir, und du verlierst dich
an jenes selige Schauen, aus dem alle Erkenntnisse blühen.
Der
eine der Stufenwege führt zu einem einsamen Tempel, der auf einer
schönen, alten Mauer steht, eine Mauer, die roh von Steinen
aufgetürmt, wie von Kyklopenfaust geworfen, stark und trotzig zur
obersten Terrasse aufsteigt. Vom Tempel fällt ein dichter Vorhang
üppiger Efeuranken über das Gestein und gibt ihm eine
malerische Bewegtheit und ernste Anmut.
Weiter
entlang führt ein anderer Aufstieg wieder auf engem laubdichten
Pfade zu einem Ruheplatz, der dir einen Ausruf der Freude entlockt.
Unter
einem hohen, alten, weit um sich greifenden Nußbaum steht eine Bank
auf erhöhten Stufen, um den mächtigen Stamm des Baumes ist ein
Tisch gezimmert. Im Schatten dieses Baumes an einem heißen
Sommertage zu sitzen, ist eine unaussprechliche Entzückung. Ein
Geländer von dünnen Birkenzweigen schließt den zur untersten
Terrasse fallenden Abhang ab, ein wildes Gewirr hängender Waldrebe
spinnt zwischen Baum und Busch und um das Geländer hin. Und durch
dieses Meer sonnenflimmernden Blättergeriesels siehst du auf ein
Bild unendlicher Schönheit.
Hingelagert
auf weinumsponnener Höhe breit und wuchtig ausladend, siehst du hier
wieder die alte Heidenburg meiner Stadt, wo Frankenherzöge in
frühesten Jahrhunderten hausten, Bischöfe ihren heiligen Sitz
hatten.
Auf
der Ebene des Berges ist die Burg stark und edel hingebaut, mit
Zinnen und Türmen, die sich gegen die Bläue des Himmels mit
wundervollen, breit ausladenden Mauerprofilen abheben, die den Berg
hinab zum Tal hin in scharfen Stufenlinien die Luft durchschneiden.
Zu
dieser Burg hinauf geht dein Blick, wo du auch gehst und stehst im
Garten und ihre alte, ehrwürdige Pracht steht wie eine königliche
Krone über der stillen Schönheit meines Gartens.
Und
von diesem geheimnisvoll schönen Platze wandle ich weiter durch
blühendes, duftendes Strauchwerk, unter blütenschweren Bäumen
durch kühle Schattengänge hin. Einige Stufen führen zur obersten
Terasse. Auch da üppigblühende Bäume und Gesträuch. Unter
wehendem Birken- und Weidengezweig wartet wieder eine Bank auf dich
zum Stillsein und Schauen. Ein schönes Steinbecken in spielender
Rokokofassung, von hohen Schwertlilien, purpurnem Fliedergebüsch und
schwerhängendem Goldregen eingeschlossen, liegt in ruhendem
Stimmungszauber eingebettet; in seinem dunklen Wasser baden meine
Singvögel und fliegen dann froh in die blaue Ferne und nehmen ein
Stück meiner Seligkeit auf ihren Flügeln mit und in ihren Liedern
bringen sie diese Seligkeit zu den andern Herzen, die in andern
Gärten wandeln und auf die Stimmen der Freude lauschen. –
Und
wieder ein Weg zur Höhe führt zu meinem Teehäuschen. Ein liebes,
weinumranktes Häuschen. Tannen stehen rechts und links neben drei
runden Stufen, die zu seiner Türe führen.
Und
innen –
O
da ist gar traulich und einladend zu einem guten Zusammensein mit
lieben Menschen.
Die
eine der Wände besteht aus lauter Fenstern, durch die du ein Meer
von Blättergrün und hängendem Goldregen schaust, der ganze Raum
ist davon grüngolden durchdämmert. In allen Ecken und Winkeln laden
Bänke, Stühle, und Tische zu Ruhen und Plaudern wenn Freunde da, zu
stiller Verlorenheit an die unsägliche Fülle und Stille umher, wenn
du einsam hier bei dir selbst bist.
Trittst
du aus der grünen Dämmerung dieser kleinen Klause vor die Türe,
hast du ein Bild vor dir, das noch jedem, der es zum erstenmale
erblickte, einen Ruf seligster Überraschung und Entzückung
entlockte.
Über
die kleine, von einem Birkenzweiggeländer abgeschlossene und
blumenumstandene Terasse siehst du hier über das wogende Grün
unzähliger Baumgipfel hinweg zu meiner Stadt hin, die im Tale des
silbernen Flusses, von weichlinigen, sanften Hügeln umschlossen, mit
ihren vielen, vielen Kirchtürmen hingelagert, dir ein Bild
unvergesslicher Lieblichkeit in die Seele senkt, sonderlich wenn du
das Glück hast, es im fallenden Abendscheine zu erschauen. Dann
liegt diese prachtvolle vornehme Stadt wie umleuchtet von einem
seltsamen Licht, das in seiner mystischen Goldung in alle Tiefen der
weiten Zeiten zu schauen scheint, aus welchen diese altersschöne
Stadt zu uns hergewachsen ist.
Und
im sinkenden Abendscheine fängt die Luft plötzlich an zu klingen
und zu singen. Ein Kranz feierlicher Töne senkt sich über Hügel,
Fluß und Gelände. Es ist das große Aveläuten von all den
ragenden Türmen, die dem Bilde meiner Stadt die starken Linien
geben. Und diese Töne gehen zwischen Tal und Höhen, über Fluß und
Straßen, über alle lauschenden Seelen hin und binden alles Geborene
in einem heiligen Frieden zusammen.
Und
in der Morgenfrühe liegt ein wunderbares Leuchten über diesem
Bilde, ein starkes, junges Leuchten, das dem erwachenden Leben seine
Wege weist und in alle Fernen dringt und die begrenzte Enge der Stadt
zu weiten Horizonten öffnet.
Kaum
kannst du dich trennen von diesem Blick in die köstliche Fülle
umher.
Und
doch muß ich dich noch weiterführen.
Noch
mehr gibt es zu schauen und zu lieben in diesem schier unausschöpfbar
schönen Garten.
Folge
mir zurück zu dem herrlichen Lugaus, zurück zu dem schmalen
Laubgang, durch das vielerlei Grün der Bäume, die rechts und links
den Weg dicht umstehen, am Vogelbade vorüber bis da, wo die grünen
Schatten ein Ende haben und auf der obersten Höhe des Gartens eine
weite, lachende Wiese vor dir liegt.
O
diese Wiese –
Ich
glaube, sie ist mein Lieblingsplatz.
Im
Hintergrunde ist sie von einer dichten Waldparzelle begrenzt, alte,
ernste Bäume ragen von der Böschung auf, die hier zur unteren
Terasse abfällt, zwischen dem dunklen Gehänge einiger
Riesentannen steht eine Bank aus Astwerk, vom kletternden Grün der
Waldrebe umflochten, da sitzest du tief im Versteck wie unter
schweren Vorhängen und schaust mitten in die lachende Wiese, die auf
stark ansteigender Bodenwelle hinauf zu dem Zaune des Gartens
klettert.
Hinter
dem Zaune ist die Straße, die zwischen Gärten und kleinen
Landhäuschen immer bergan zum Gipfel der Hügel dieser Stadtseite
führt.
Und
so blickt mein Auge von diesem Platz über den Zaun hinaus in ein
weites, wogendes, grünes Meer leiser im Winde spielender Laubmassen,
die sich dicht und wohlig in die tiefe, sanfte Bläue des
Sommerhimmels einschmiegen.
Und
die Wiese selbst.
All
das bunte Blühen in der schaukelnden Lust der spielenden Lüfte. Der
berauschende Duft, der darüber weht. Das schimmernde Silber und Gold
des wechselnden Lichtes. Das schwebende Tanzspiel der zarten
Falterschwingen über dem wiegenden Farbengewoge. Bienen summen ihr
trunkenes Lied und naschen aus all den offenen Bechern der Lust.
Dein
Herz ist von trunkener Freude wie ein übervoller Brunnen, bis in
seine letzten Tiefen fühlst du eine selige Ergriffenheit, in der du
dich eins weißt mit dem ewigen All des Seins. –
Ich
weiß nicht, wann mein Garten am schönsten ist.
Im
Frühling, wenn der leuchtende Schaum der Baumblüte gegen den blauen
Himmel lacht und das junge Laubgrün in der Sonne durchsichtig und
golden wird, die ersten Veilchen aus verborgenen Winkeln aufbrechen,
ihre keuschen, berauschenden Düfte dir wie ein Lied goldener
Erinnerungen an das Herz rühren und neue, junge Träume auf allen
Wegen dir entgegenkommen – o dann ist er unglaublich herrlich in
seiner klingenden Lust und seiner heimlichen Süße, umtönt von den
jauchzenden Liebesliedern, die zwischen Baum und Gesträuch auf und
niederfliegen.
Und
im Sommer –
Da
strömt es in ihm von Duft und Farben, von Schatten und Licht, von
Fruchtbarkeit und seliger Daseinsfülle. Dein Auge reicht nicht aus
für die Millionen Leben, die hier zwischen Himmel und Erde atmen,
blühen und wachsen, vom glitzernden Sandkorn am Boden bis zu den
stolzen Tannen, die ihre hohen Spitzen in das tiefe sommerliche
Blaugold des Himmels bohren.
Und
das Flammenmeer des Herbstes.
Das
lodernde Rotgelb auf Baum und Gesträuch, die wie lohende
Opferschalen stehen und sich selbst verzehrend ihre letzte Schönheit
dem scheidenden Sonnengotte hingeben; all die Glut, die sie von ihm
nahmen, ihm wiedergeben im Scheidegruße ihrer sterbenden Seelen. –
Dann
kommt das weiße Schweigen.
Der
lange, tiefe Schlaf.
Alle
Schönheit nahm die Sonne zurück.
Nun
hat die Tiefe der Erde die Geheimnisse des Gartens zu hüten. –
Und
wenn ich dich nun noch etwas weiter geleite, da wo meine lachende
Wiese endet und um eine Biegung herum wir an einem kleinen Feldstück
mit rankenden Bohnen und Erbsengeblühe vorüber, immer von den
dichten Waldbäumen begleitet, endlich wieder zu den unteren
Terrassen absteigen und dann plötzlich am grünumhangenen
Treppengange sind, der zu der Türe meines Gartens führt – dann
bleibst du noch einen Augenblick stehen, geblendet von dem flutenden
Golde der sinkenden Sonne, das durch das dunkle Tannengezweig gleitet
und dicht wie ein Gemälde der großen alten Meister mit Schauern der
Ehrfurcht dich überschüttet.
Ich
öffne noch nicht die Türe.
Ruhe
noch einen Augenblick aus von allem Erlebten.
Denn
vollendete Schönheit ist ein Erlebnis.
Und
nun kennst du mein Königreich.
Und
weißt, daß ich, trotzdem ich ein Verliebter bin, nicht zu viel von
ihm sagte.
Du
ahnst vielleicht sogar, daß es noch zu wenig war.
Daß
da, wie in einem Briefe der Liebe, noch tausend köstliche Dinge
zwischen den Zeilen stehen, die so zart und heimlich sind, daß man
sie nicht in den Ring der Worte einfangen kann.
Aber
in die Melodie des Liedes lösen sich all diese köstlichen
Heimlichkeiten süß und linde auf.
Und
so wirst du begreifen, daß alles Unaussprechliche meines Gartens zu
seligen Liedern wurde, die alles Letzte, Tiefste und Süßeste
ausschöpfen zu einem singenden Reigen seligen Glückes. Ich lege dir
diese Lieder in deine Hände, in dein Herz.
Werde
froh daran und reich – reich an jener zugleich traurigen und
beglückenden Sehnsucht, die uns zu den Ufern der Erfüllung trägt.
An
der Sehnsucht zu einem Garten, der irgendwo schon dir blüht und
duftet und dir dein heimlich Königreich werden will.
Diese
selig traurige und dennoch beglückende Sehnsucht will ich in deine
Seele pflanzen mit meinen Liedern, die in meinem Garten blühten.