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Sonntag, 19. Februar 2023

Vom TAO lernen

 


Vom Tao lernen

30 (Auszug)

Wer nach dem SINN dem Menschenherrscher hilft,
zwingt nicht mit Waffen die Welt.
Seine Art ist es, den Rückzug zu lieben.
Wo Kämpfer geweilt, wachsen Disteln und Dornen.
Hinter den großen Heeren her kommt sicher böse Zeit.
Der Tüchtige will Entscheidung und nichts mehr.
Er wagt nicht Eroberung mit Gewalt.
Entscheidung, ohne sich zu brüsten,
Entscheidung, ohne sich zu rühmen,
Entscheidung, ohne stolz zu sein,
Entscheidung, weil's nicht anders geht,
Entscheidung, ferne von Gewalt.

31 (Auszug)

Auch die schönsten Waffen sind unheilbringende Geräte,
und die Geschöpfe hassen sie wohl.
Darum: Wer den SINN hat, weilt nicht dabei.

* * *

Die Waffen sind unheilbringende Geräte,
nicht Geräte für den Edlen.
Nur wenn er nicht anders kann, gebraucht er sie.
Ruhe und Frieden sind ihm das Höchste.
Er siegt, aber er freut sich nicht daran.
Wer sich daran freuen wollte, würde sich ja des Menschenmordes freuen.
Wer sich des Menschenmordes freuen wollte, kann nicht sein Ziel erreichen in der Welt.

* * *

Menschen töten in großer Zahl, das soll man beklagen mit Tränen des Mitleids.
Wer im Kampfe gesiegt, der soll wie bei einer Trauerfeier weilen.

Aus: Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben in der Übersetzung von Richard Wilhelm. Düsseldorf/Köln 1952

Ich schrieb vor einiger Zeit, März letzten Jahres: "Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, doch sie weisen uns den Weg" (Sprichwort aus Spanien). Zur Situation in der Ukraine: Ich gestehe mir persönlich sowohl eine Ratlosigkeit als auch eine Machtlosigkeit ein. Das muss ich aushalten (können). Ich selber werde garantiert nicht zur Waffe greifen, um andere Menschen zu töten. Auch nicht zu meiner eigenen Selbstverteidigung. Doch das ist erst einmal meine persönliche Entscheidung. Ich wüsste nicht, was ich den Menschen raten sollte, die jetzt in der Ukraine sich mit Waffen gegen eine aggressive Soldateska verteidigen. Wie gesagt, ich bin da einfach nur rat- und auch machtlos. Ich schaue mit Erstaunen auf die Vielen, die jetzt so selbstgewiss von sich geben, was da zu tun wäre. Wo haben sie diese Selbstgewissheit her? Gibt es da wirklich keine Zweifel? Ich verzweifel an den Zweifelsfreien. Doch eines vermag ich sicher zu sagen: Gegen die jetzt einsetzende Militarisierung der Sprache, der Heroisierung auch des Widerstandes gegen die Kriegsarmee, gegen die Heldenmythenbildung, ja, auch der Verteidiger, werde ich mich positionieren."

Warum dieses so selbstgefällige „entweder – oder“? - Ich wünsche mir ein „und“. Verhandlungsoptionen sollten niemals verschlossen werden. Doch manchmal braucht es die Unterstützung der Selbstverteidigung, um überhaupt eine Verhandlungsoption zu haben. Ein reines Nachgeben demjenigen, der das Recht des Stärkeren für sich beansprucht, kann niemals eine friedensstiftende Wirkung haben. Gewalt und Waffen müssen immer geächtet werden. Weltweit. „Wer im Kampfe gesiegt, der soll wie bei einer Trauerfeier weilen.“

Das ist es, was ich mir wünsche: Eine Entmilitarisierung der Sprache. Keinerlei Heroisierung des Kriegsgeschehens. Wenn Waffen zur Selbstverteidigung gebraucht werden, bleiben sie doch unheilvolle Geräte. Es ist dringend an der Zeit, nicht nur den Krieg (die Kriege!) zu beenden, sondern auch einer weltweiten Ächtung von jedweder Gewalt und jedweden Waffen das Wort zu führen. Das wünsche ich mir: Eine Regierung (viele Regierungen!), die sagt: Wir unterstützen die Verteidigung nur, wenn gleichzeitig weltweite Gespräche der Ächtung in Gang kommen. „Wer im Kampfe gesiegt, der soll wie bei einer Trauerfeier weilen.“

Das Bild „Laotse“ ist von Nicholas Roerich (1874 - 1947)


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