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Donnerstag, 23. Februar 2023

Von den Gärten der Erde - Elisabeth Dauthendey: Mein eigener Garten

 


Zum Beginn des neuen Gartenjahres: Ich möchte Auszüge aus einem Buch vorstellen, dessen Titel mich sofort ansprach, zumal mir die Schriftstellerin bekannt war: Von den Gärten der Erde - Ein Buch der tiefen Stille, von Elisabeth Dauthendey, Schuster & Loeffler, Berlin 1917

Spannend für mich ist auch das Erscheinungsjahr dieses Buches: 1917 - Es ist ein Kriegsbuch, auch wenn der Weltkrieg (damals wussten sie es noch nicht, dass es der erste sein sollte) dort nicht vorkommt. Es ist sowohl Sehnsuchtsbuch, das sich von der unerträglichen Welt abwendet, zugunsten eines kleinen, stillen Paradieses. Es ist jedoch auch ein Buch, das Stimmungen beschreibt, die ein Garten auslösen vermag, unabhängig von den Zeitläuften. Gerade ich als Gärtner weiß das. So mein Tipp: Dieses Buch mit in einen realen Garten nehmen, und zwischen den Gartenarbeiten sich ab und zu auf die Banke zu setzen, um darin zu lesen. Dann kann geschehen, was in diesem Buch beschrieben steht:

Hier steht die Zeit still. Vor den Pforten deines Gartens lässt du sie zurück.“

Elisabeth Dauthendey, geboren am 19. Januar 1854 in Sankt Petersburg; gestorben am 18. April 1943 in Würzburg. Erfolgreich war sie vor allem mit ihren Märchen und Novellen, die eine mythische bis mystische Phantasiewelt entwarfen. Ihr Halbbruder war der Dichter Max Dauthendey.

Als „Halbjüdin“ drohten Elisabeth Dauthendey ab 1933 Berufsverbot und Verfolgung durch die Nazis. Sie versuchte dieser Gefahr mit konsequenter schriftstellerischer Enthaltsamkeit zu begegnen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die letzten Lebensjahre waren deshalb von erheblicher finanzieller Not gekennzeichnet. Sie starb in ihrem neunzigsten Lebensjahr.

Das Bilder sind von Odilon Redon (1840  -  1916)

Mein eigener Garten

Soll ich von meinem eigenen Garten erzählen –

Ich bin verliebt in ihn – und Verliebten ist nicht zu trauen.

Sie sagen meist zu viel Schönes von dem, das sie lieben.

Aber mein Garten ist so schön, daß, wenn ich tausendmal zu viel sagte, er immer noch schöner ist, als ich sagen kann.

Ja, ich bin verliebt in meinen Garten.

Verliebt in dem höchsten Sinne, daß ich meine Seele an ihn verloren habe.

Aber er gibt sie mir wieder. Tausendfältig gibt er sie mir wieder. –

Ich öffne die Tür am Wege.

Nun kommt mit. Steigt die Stufen zwischen den überhängenden Zweigen der Tannen und Buchen hinauf, in denen die Sommersonne mit goldenen Kugeln spielt und zwischen den dunklen Ästen klettern die roten Glühlampen der Rosen hinauf. So hast du von Schattenspiel und Lichtleuchten und Purpurfarben ein seliges Willkommen schon beim Eintritt in meine Welt.

Der Garten muss uns eine Welt sein, sonst hat er keinen Sinn.

Eine Welt, an die wir uns selbst verlieren, um uns neu und ganz wiederzufinden. Weit laß ihn sein, deinen Garten, wenn es möglich ist. Nicht eng und klein, daß man von hier bis dort seine Grenzen sieht und immer zwischen Anfang und Ende hin und her geworfen wird und nie zu jenem seligen Untertauchen in die Freude kommt, das uns nur die Fülle gibt.

Ach, ich liebe auch den kleinen Garten des Nachbarn und ich wünsche jedem unter uns ein Gärtlein, sei es noch so klein – immer ist's seliger als keines. Aber mein Garten ist weit – weit –

Ins Grenzenlose und Unendliche schaue ich hier, und täglich finde ich ein Neues, Unerwartetes, eine heimliche Freude, ein neues, helles Glück in den vier Winden seiner unerschöpflichen Schönheit.

Ich habe Traurige hineingeführt, und sie wurden getröstet.

Menschen der Freude ließ ich ein, und sie tranken sich göttlichen Rausch an seinem übervollen Becher.

Leidende fanden den Willen zum Leben in ihm wieder.

So kommt und schaut, daß ihr ihn erkennt und liebt mit meiner endlosen Liebe.

Auf den schattenumhangenen Treppen stiegen wir hinauf.

Nun teilen sich die Wege.

Wo nur zuerst hin in diesem Garten ohne Ende. Grenzenlos wie eine selige Unendlichkeit.

Am Abhang, der zur Straße fällt, geht ein lauschiger Weg zwischen blütenduftigen, lachenden Rasenflächen und ernsten, hohen Tannen und Laubbäumen, die einen grünen Wall zum Wege unten hin bauen. Im leuchtenden Rasen stehen viele tragende Fruchtbäume, die ein wenig schwer und nachdenklich ihre Zweige zur Erde senken, sie arbeiten an den süßen Früchten des Herbstes – stören wir ihre Ruhe nicht.

Überall siehst du reinliche, sandbestreute Wege zwischen den großen, weiten Rasenflächen, die voll zarter, wehender Blumen sind, die wie bunte Teppiche, in tausend Farben gestickt, im Sommerwinde schaukeln. Blau, weiß und gelb flatterts drüber hin im sanften Rhythmus schwebender Schmetterlingsflügel.

In der Mitte ein Rund. Das Herz meines Gartens, zu dem alle Schönheit hinlugt, von dem aus du in all seine Geheimnisse schauen, und dich in die Tiefe seiner Welt hineinträumen kannst. Tische und Bänke stehen da. Rot im lichten Sommergrün. Ein Kranz von dunkelroten Geranien säumt das Rund. Kirschen-, Apfel- und Pfirsichbäume geben ihren spielenden Schatten über diesen Platz, von dem das Auge in trunkener Lust in eine schier überwältigende Herrlichkeit schaut. Viele hundert altersschöne Bäume jeder Art und jeden Namens fast, erblickst du von hier an den aufsteigenden Höhen, die den Garten königlich umbauen.

Und hebst du den Blick zur Höhe, siehst du dort hoch über allem die alte, ragende Burg, mit strengen edlen Linien das Bild hundertjähriger Geschichte umfassend, steigt sie in die glasklare, seidenweiche Sommerbläue des Himmels und gibt dem Garten den unsagbar berauschenden Reiz, der uns aus ferner Vergangenheit wie aus altersgoldener Weite anrührt. Und die Hügel, die zu dieser Burg führen, sind umwachsen von den adelsstolzen Reben, deren honigschwerer Saft einst in goldenen Königsbechern und auf stolzen Bischofstafeln seine Feuer und Verzauberungen spielen ließ und noch immer spielen läßt. Auf der anderen Seite ragt über den Hügeln die Kapelle auf; mit ihren runden dunklen Schieferkuppeln, aus denen spitz die Kreuze aufspringen, liegt sie, von meinen hohen Pappeln eingerahmt, wie ein Bild von Künstler Hand vor mein schwelgendes Auge hingestellt.

Und weiter zur Rechten, wenn du im Garten umschaust, liegt eine Waldhütte von Birkengeländer umhegt, hohe Tannen stehen stille Wacht davor, Akazien und Hollunder breiten weithin ihre Zweige vor ihr her und die weißen bräutlichen Blüten des Jasmins verhängen und mengen sich mit dem dunklen Tannengezweig und gießen ihren schweren Duft auf die Wege, die zu diesem stillen Winkel führen. Zur Linken sind gar viele Plätze da, die zur Ruhe und Beschaulichkeit laden. Tief eingeschnitten in einer Taxushecke kannst du sitzen und den silbernen Glockenklängen lauschen, die von der Kapelle alle Stunden den Berg herabrieseln. Unter den rätselhaften Mispelzweigen, die sich weit und schallend über eine Bank breiten, kannst du seltsame Träume erhaschen.

In allen Winkel blüht und duftet es. Ströme von Licht fallen von den Bäumen nieder, die ihren Namen von diesem goldenen Regen haben. Und purpurn und violett und weiß gießt der Flieder seinen Sommerrausch über deine Seele. Der Rotdornbaum ist von tausend rosigen Büschen übersät und blühende Ligusterhecken stehen wie weiße Mauern inmitten der tiefgrünen Rasenflächen. Himbeerrot leuchten die schweren Dolden der Weigelienbüsche. Birken wehen ihre grünen Schleier im linden Winde, der von den Wäldern her reine wohlige Luft bringt.

Im Hintergrunde leuchten rotbeerige Sträucher.

Ein weites Rund glüht von Erdbeerfrüchten und Rosen, und beider Düfte mischen sich zu einem Ton, der wie bebender Harfenklang über deine Sinne geht.

Ist das nicht Fülle und Überschwang. –

Und noch bist du nicht am Ende meines Gartens.

Sieh dort das wundervolle, große Steinbecken in dreiteiligem Rund barock gefaßt, wie der Märchenbrunnen aus Kinderland liegt er kühl unter den hügelansteigenden Bäumen, die ihn mit ihrem Laub geheimnisvoll umhängen. Maigrüne Weiden und silberstämmige Birken suchen ihr Bild in seinem dunklen Wasser, blühendes Gaisblattgewinde hängt in wehenden Guirlanden von den Bäumen nieder, gelbe Schwertlilien stehen wie goldene Kerzen um ihn her, und aus dem dunklen, ruhenden Wasser steigen in silbernen Mondnächten der Froschkönig und die Prinzessin die Stufen hinauf, die zu seinem Grunde führen.

Hier kannst du dem Märchenzauber lauschen, der seit Jahrtausenden die Nächte träumender Gärten durchwandelt. Dem Zauber ewiger Jugend, der alt ist wie die Ewigkeit des Lebens und ewig jung wie die neugeborene Stunde des Tages.

Hast du dir Rausch genug getrunken an meinem Garten?

Und glaubst nun all seine Herrlichkeit zu kennen!

Siehe aber, noch ist kein Ende.

Mehr noch wartet dein.

Steig hinauf zur Höhe. Vier Stufenwege führen hinan. Durch dichte Laubwege führen sie, von Bäumen fast aller Namen dicht umstanden. Den Abhang hinunter fließt ein grüner Sammtteppich, von blühendem Gekräut bunt durchwirkt.

Auf schmalen, tief verschatteten Wegen wandelst du in traumhaft süßer Stille, nichts stört dir dein Lauschen und Denken, weit weg von den kleinen Dingen des Alltags bringt diese Unendlichkeit der Stille umher die Höhen und Tiefen des Tages zu dir, und du verlierst dich an jenes selige Schauen, aus dem alle Erkenntnisse blühen.

Der eine der Stufenwege führt zu einem einsamen Tempel, der auf einer schönen, alten Mauer steht, eine Mauer, die roh von Steinen aufgetürmt, wie von Kyklopenfaust geworfen, stark und trotzig zur obersten Terrasse aufsteigt. Vom Tempel fällt ein dichter Vorhang üppiger Efeuranken über das Gestein und gibt ihm eine malerische Bewegtheit und ernste Anmut.

Weiter entlang führt ein anderer Aufstieg wieder auf engem laubdichten Pfade zu einem Ruheplatz, der dir einen Ausruf der Freude entlockt.

Unter einem hohen, alten, weit um sich greifenden Nußbaum steht eine Bank auf erhöhten Stufen, um den mächtigen Stamm des Baumes ist ein Tisch gezimmert. Im Schatten dieses Baumes an einem heißen Sommertage zu sitzen, ist eine unaussprechliche Entzückung. Ein Geländer von dünnen Birkenzweigen schließt den zur untersten Terrasse fallenden Abhang ab, ein wildes Gewirr hängender Waldrebe spinnt zwischen Baum und Busch und um das Geländer hin. Und durch dieses Meer sonnenflimmernden Blättergeriesels siehst du auf ein Bild unendlicher Schönheit.

Hingelagert auf weinumsponnener Höhe breit und wuchtig ausladend, siehst du hier wieder die alte Heidenburg meiner Stadt, wo Frankenherzöge in frühesten Jahrhunderten hausten, Bischöfe ihren heiligen Sitz hatten.

Auf der Ebene des Berges ist die Burg stark und edel hingebaut, mit Zinnen und Türmen, die sich gegen die Bläue des Himmels mit wundervollen, breit ausladenden Mauerprofilen abheben, die den Berg hinab zum Tal hin in scharfen Stufenlinien die Luft durchschneiden.

Zu dieser Burg hinauf geht dein Blick, wo du auch gehst und stehst im Garten und ihre alte, ehrwürdige Pracht steht wie eine königliche Krone über der stillen Schönheit meines Gartens.

Und von diesem geheimnisvoll schönen Platze wandle ich weiter durch blühendes, duftendes Strauchwerk, unter blütenschweren Bäumen durch kühle Schattengänge hin. Einige Stufen führen zur obersten Terasse. Auch da üppigblühende Bäume und Gesträuch. Unter wehendem Birken- und Weidengezweig wartet wieder eine Bank auf dich zum Stillsein und Schauen. Ein schönes Steinbecken in spielender Rokokofassung, von hohen Schwertlilien, purpurnem Fliedergebüsch und schwerhängendem Goldregen eingeschlossen, liegt in ruhendem Stimmungszauber eingebettet; in seinem dunklen Wasser baden meine Singvögel und fliegen dann froh in die blaue Ferne und nehmen ein Stück meiner Seligkeit auf ihren Flügeln mit und in ihren Liedern bringen sie diese Seligkeit zu den andern Herzen, die in andern Gärten wandeln und auf die Stimmen der Freude lauschen. –

Und wieder ein Weg zur Höhe führt zu meinem Teehäuschen. Ein liebes, weinumranktes Häuschen. Tannen stehen rechts und links neben drei runden Stufen, die zu seiner Türe führen.

Und innen –

O da ist gar traulich und einladend zu einem guten Zusammensein mit lieben Menschen.

Die eine der Wände besteht aus lauter Fenstern, durch die du ein Meer von Blättergrün und hängendem Goldregen schaust, der ganze Raum ist davon grüngolden durchdämmert. In allen Ecken und Winkeln laden Bänke, Stühle, und Tische zu Ruhen und Plaudern wenn Freunde da, zu stiller Verlorenheit an die unsägliche Fülle und Stille umher, wenn du einsam hier bei dir selbst bist.

Trittst du aus der grünen Dämmerung dieser kleinen Klause vor die Türe, hast du ein Bild vor dir, das noch jedem, der es zum erstenmale erblickte, einen Ruf seligster Überraschung und Entzückung entlockte.

Über die kleine, von einem Birkenzweiggeländer abgeschlossene und blumenumstandene Terasse siehst du hier über das wogende Grün unzähliger Baumgipfel hinweg zu meiner Stadt hin, die im Tale des silbernen Flusses, von weichlinigen, sanften Hügeln umschlossen, mit ihren vielen, vielen Kirchtürmen hingelagert, dir ein Bild unvergesslicher Lieblichkeit in die Seele senkt, sonderlich wenn du das Glück hast, es im fallenden Abendscheine zu erschauen. Dann liegt diese prachtvolle vornehme Stadt wie umleuchtet von einem seltsamen Licht, das in seiner mystischen Goldung in alle Tiefen der weiten Zeiten zu schauen scheint, aus welchen diese altersschöne Stadt zu uns hergewachsen ist.

Und im sinkenden Abendscheine fängt die Luft plötzlich an zu klingen und zu singen. Ein Kranz feierlicher Töne senkt sich über Hügel, Fluß und Gelände. Es ist das große Aveläuten von all den ragenden Türmen, die dem Bilde meiner Stadt die starken Linien geben. Und diese Töne gehen zwischen Tal und Höhen, über Fluß und Straßen, über alle lauschenden Seelen hin und binden alles Geborene in einem heiligen Frieden zusammen.

Und in der Morgenfrühe liegt ein wunderbares Leuchten über diesem Bilde, ein starkes, junges Leuchten, das dem erwachenden Leben seine Wege weist und in alle Fernen dringt und die begrenzte Enge der Stadt zu weiten Horizonten öffnet.

Kaum kannst du dich trennen von diesem Blick in die köstliche Fülle umher.

Und doch muß ich dich noch weiterführen.

Noch mehr gibt es zu schauen und zu lieben in diesem schier unausschöpfbar schönen Garten.

Folge mir zurück zu dem herrlichen Lugaus, zurück zu dem schmalen Laubgang, durch das vielerlei Grün der Bäume, die rechts und links den Weg dicht umstehen, am Vogelbade vorüber bis da, wo die grünen Schatten ein Ende haben und auf der obersten Höhe des Gartens eine weite, lachende Wiese vor dir liegt.

O diese Wiese –

Ich glaube, sie ist mein Lieblingsplatz.

Im Hintergrunde ist sie von einer dichten Waldparzelle begrenzt, alte, ernste Bäume ragen von der Böschung auf, die hier zur unteren Terasse abfällt, zwischen dem dunklen Gehänge einiger Riesentannen steht eine Bank aus Astwerk, vom kletternden Grün der Waldrebe umflochten, da sitzest du tief im Versteck wie unter schweren Vorhängen und schaust mitten in die lachende Wiese, die auf stark ansteigender Bodenwelle hinauf zu dem Zaune des Gartens klettert.

Hinter dem Zaune ist die Straße, die zwischen Gärten und kleinen Landhäuschen immer bergan zum Gipfel der Hügel dieser Stadtseite führt.

Und so blickt mein Auge von diesem Platz über den Zaun hinaus in ein weites, wogendes, grünes Meer leiser im Winde spielender Laubmassen, die sich dicht und wohlig in die tiefe, sanfte Bläue des Sommerhimmels einschmiegen.

Und die Wiese selbst.

All das bunte Blühen in der schaukelnden Lust der spielenden Lüfte. Der berauschende Duft, der darüber weht. Das schimmernde Silber und Gold des wechselnden Lichtes. Das schwebende Tanzspiel der zarten Falterschwingen über dem wiegenden Farbengewoge. Bienen summen ihr trunkenes Lied und naschen aus all den offenen Bechern der Lust.

Dein Herz ist von trunkener Freude wie ein übervoller Brunnen, bis in seine letzten Tiefen fühlst du eine selige Ergriffenheit, in der du dich eins weißt mit dem ewigen All des Seins. –

Ich weiß nicht, wann mein Garten am schönsten ist.

Im Frühling, wenn der leuchtende Schaum der Baumblüte gegen den blauen Himmel lacht und das junge Laubgrün in der Sonne durchsichtig und golden wird, die ersten Veilchen aus verborgenen Winkeln aufbrechen, ihre keuschen, berauschenden Düfte dir wie ein Lied goldener Erinnerungen an das Herz rühren und neue, junge Träume auf allen Wegen dir entgegenkommen – o dann ist er unglaublich herrlich in seiner klingenden Lust und seiner heimlichen Süße, umtönt von den jauchzenden Liebesliedern, die zwischen Baum und Gesträuch auf und niederfliegen.


Und im Sommer –

Da strömt es in ihm von Duft und Farben, von Schatten und Licht, von Fruchtbarkeit und seliger Daseinsfülle. Dein Auge reicht nicht aus für die Millionen Leben, die hier zwischen Himmel und Erde atmen, blühen und wachsen, vom glitzernden Sandkorn am Boden bis zu den stolzen Tannen, die ihre hohen Spitzen in das tiefe sommerliche Blaugold des Himmels bohren.

Und das Flammenmeer des Herbstes.

Das lodernde Rotgelb auf Baum und Gesträuch, die wie lohende Opferschalen stehen und sich selbst verzehrend ihre letzte Schönheit dem scheidenden Sonnengotte hingeben; all die Glut, die sie von ihm nahmen, ihm wiedergeben im Scheidegruße ihrer sterbenden Seelen. –

Dann kommt das weiße Schweigen.

Der lange, tiefe Schlaf.

Alle Schönheit nahm die Sonne zurück.

Nun hat die Tiefe der Erde die Geheimnisse des Gartens zu hüten. –

Und wenn ich dich nun noch etwas weiter geleite, da wo meine lachende Wiese endet und um eine Biegung herum wir an einem kleinen Feldstück mit rankenden Bohnen und Erbsengeblühe vorüber, immer von den dichten Waldbäumen begleitet, endlich wieder zu den unteren Terrassen absteigen und dann plötzlich am grünumhangenen Treppengange sind, der zu der Türe meines Gartens führt – dann bleibst du noch einen Augenblick stehen, geblendet von dem flutenden Golde der sinkenden Sonne, das durch das dunkle Tannengezweig gleitet und dicht wie ein Gemälde der großen alten Meister mit Schauern der Ehrfurcht dich überschüttet.

Ich öffne noch nicht die Türe.

Ruhe noch einen Augenblick aus von allem Erlebten.

Denn vollendete Schönheit ist ein Erlebnis.

Und nun kennst du mein Königreich.

Und weißt, daß ich, trotzdem ich ein Verliebter bin, nicht zu viel von ihm sagte.

Du ahnst vielleicht sogar, daß es noch zu wenig war.

Daß da, wie in einem Briefe der Liebe, noch tausend köstliche Dinge zwischen den Zeilen stehen, die so zart und heimlich sind, daß man sie nicht in den Ring der Worte einfangen kann.

Aber in die Melodie des Liedes lösen sich all diese köstlichen Heimlichkeiten süß und linde auf.

Und so wirst du begreifen, daß alles Unaussprechliche meines Gartens zu seligen Liedern wurde, die alles Letzte, Tiefste und Süßeste ausschöpfen zu einem singenden Reigen seligen Glückes. Ich lege dir diese Lieder in deine Hände, in dein Herz.

Werde froh daran und reich – reich an jener zugleich traurigen und beglückenden Sehnsucht, die uns zu den Ufern der Erfüllung trägt.

An der Sehnsucht zu einem Garten, der irgendwo schon dir blüht und duftet und dir dein heimlich Königreich werden will.

Diese selig traurige und dennoch beglückende Sehnsucht will ich in deine Seele pflanzen mit meinen Liedern, die in meinem Garten blühten.


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