Vom
Tao lernen
30 (Auszug)
Wer nach dem SINN dem
Menschenherrscher hilft,
zwingt nicht mit Waffen die Welt.
Seine
Art ist es, den Rückzug zu lieben.
Wo Kämpfer geweilt, wachsen
Disteln und Dornen.
Hinter den großen Heeren her kommt sicher
böse Zeit.
Der Tüchtige will Entscheidung und nichts mehr.
Er
wagt nicht Eroberung mit Gewalt.
Entscheidung, ohne sich zu
brüsten,
Entscheidung, ohne sich zu rühmen,
Entscheidung,
ohne stolz zu sein,
Entscheidung, weil's nicht anders
geht,
Entscheidung, ferne von Gewalt.
31 (Auszug)
Auch
die schönsten Waffen sind unheilbringende Geräte,
und die
Geschöpfe hassen sie wohl.
Darum: Wer den SINN hat, weilt nicht
dabei.
* * *
Die Waffen sind unheilbringende
Geräte,
nicht Geräte für den Edlen.
Nur wenn er nicht anders
kann, gebraucht er sie.
Ruhe und Frieden sind ihm das Höchste.
Er
siegt, aber er freut sich nicht daran.
Wer sich daran freuen
wollte, würde sich ja des Menschenmordes freuen.
Wer sich des
Menschenmordes freuen wollte, kann nicht sein Ziel erreichen in der
Welt.
* * *
Menschen töten in großer Zahl, das soll
man beklagen mit Tränen des Mitleids.
Wer im Kampfe gesiegt, der
soll wie bei einer Trauerfeier weilen.
Aus: Laotse: Tao
Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben in der Übersetzung
von Richard Wilhelm. Düsseldorf/Köln 1952
Ich schrieb
vor einiger Zeit, März letzten Jahres: "Ideale sind wie Sterne,
man kann sie nicht erreichen, doch sie weisen uns den Weg"
(Sprichwort aus Spanien). Zur Situation in der Ukraine: Ich gestehe
mir persönlich sowohl eine Ratlosigkeit als auch eine Machtlosigkeit
ein. Das muss ich aushalten (können). Ich selber werde garantiert
nicht zur Waffe greifen, um andere Menschen zu töten. Auch nicht zu
meiner eigenen Selbstverteidigung. Doch das ist erst einmal meine
persönliche Entscheidung. Ich wüsste nicht, was ich den Menschen
raten sollte, die jetzt in der Ukraine sich mit Waffen gegen eine
aggressive Soldateska verteidigen. Wie gesagt, ich bin da einfach nur
rat- und auch machtlos. Ich schaue mit Erstaunen auf die Vielen, die
jetzt so selbstgewiss von sich geben, was da zu tun wäre. Wo haben
sie diese Selbstgewissheit her? Gibt es da wirklich keine Zweifel?
Ich verzweifel an den Zweifelsfreien. Doch eines vermag ich sicher zu
sagen: Gegen die jetzt einsetzende Militarisierung der Sprache, der
Heroisierung auch des Widerstandes gegen die Kriegsarmee, gegen die
Heldenmythenbildung, ja, auch der Verteidiger, werde ich mich
positionieren."
Warum dieses so selbstgefällige
„entweder – oder“? - Ich wünsche mir ein „und“.
Verhandlungsoptionen sollten niemals verschlossen werden. Doch
manchmal braucht es die Unterstützung der Selbstverteidigung, um
überhaupt eine Verhandlungsoption zu haben. Ein reines Nachgeben
demjenigen, der das Recht des Stärkeren für sich beansprucht, kann
niemals eine friedensstiftende Wirkung haben. Gewalt und Waffen
müssen immer geächtet werden. Weltweit. „Wer im Kampfe gesiegt,
der soll wie bei einer Trauerfeier weilen.“
Das ist es, was
ich mir wünsche: Eine Entmilitarisierung der Sprache. Keinerlei
Heroisierung des Kriegsgeschehens. Wenn Waffen zur Selbstverteidigung
gebraucht werden, bleiben sie doch unheilvolle Geräte. Es ist
dringend an der Zeit, nicht nur den Krieg (die Kriege!) zu beenden,
sondern auch einer weltweiten Ächtung von jedweder Gewalt und
jedweden Waffen das Wort zu führen. Das wünsche ich mir: Eine
Regierung (viele Regierungen!), die sagt: Wir unterstützen die
Verteidigung nur, wenn gleichzeitig weltweite Gespräche der Ächtung
in Gang kommen. „Wer im Kampfe gesiegt, der soll wie bei einer
Trauerfeier weilen.“
Das Bild „Laotse“ ist von Nicholas Roerich (1874 - 1947)
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