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Samstag, 3. Juni 2023

Fast ein Jahr - Die Zukunft aller Gegenwart heißt Vergangenheit (XI)

 



Fast ein Jahr - Die Zukunft aller Gegenwart heißt Vergangenheit (XI)


Mit dir
ist kein Staat zu machen!“
sagte meine Mutter zu mir
oft.
Lieg ich nachts um vier
wach
unverhofft
muss ich daran denken und lachen

Mit mir
ist wirklich kein Staat zu machen



Alles was da war
war da
war wahr, da es da war
war wie es war
war da als das
was es war

Der da
ging
ging seines Wegs,
eines Wegs,
der ganz sein war,
ging seines Wegs,
eines Wegs,
den er als wahr sah

War Leid War Freud War da
Alles
Alles wahr

(Auf einer E-Gitarre mit Wah-Wah-Pedal zu begleiten)



Kurz vor Vollmond. . .

Kurz vor Vollmond bin ich immer reichlich desolat
und dann bleibt mir nichts ausgespart,
tausche meine Wanderstöcke
gegen seidne Unterröcke,
tausche Hacke, Beil und Spaten
gegen Kussmund,
Garten kann dann warten,
Arbeit, nicht die eigne, wurde nur erfunden
um abzulenken von den süßen Stunden -
ich aber mag sie nicht versäumen,
tu das, was andre nur erträumen,
und sehe zu, dass das nicht untergeht
und auch im Alltag noch besteht,
wenn aller Vollmond schon vorüberzog

Und so schreib ich dies als Epilog:
Täuscht euch nicht,
geb ich mich auch manchmal menschlich bieder -
Vollmond kommt doch immer wieder,
und ich tu, wie mir gehießen

. . . wenn alle Brünnlein fließen



Intermezzo - Lunatic, ein luzides Lied

Dies sind keine
Fantasiegeschichten,
mitnichten -

Die innere Lektorin sagt:
vom Pfade abgewichen,
der letzte Satz,
der wird gestrichen

Zeit, anderes zu dichten,
die Wolken beginnen sich zu lichten
alles anders zu gewichten,
sich einem Ideal verpflichten,
den Zettelkasten sichten,
Henkersmahl, und Spiegelfechterei,
und die eher schlichten
Worte, so wie Hirsebrei,
sind dabei

Das Leben ist verwirrend,
und ich laufe irrend
durch die langen Gänge,
Türen links, Türen rechts,
auch ein Aufzug
in die oberen Etagen
und ich hänge -

Erinnerung:
Mutter kaufte Fleisch
immer bei der Freibank,
da geht’s lang

in der Luft ein lieblicher Gesang
und Wolken, Hagelkörner
fallen munter,
alle kommen wieder runter,
Blindflug, Nachtflug,
durch Fliegen wird man klug,
und nur Erfahrung
gibt dem Wissen Nahrung

Sonne scheint zu scheinen
hätte doch der Mond,
doch der scheint wohl zu meinen,
dass sich das Scheinen heut nicht lohnt

Dämmerung, es beginnt zu tagen,
und ich kann es wagen,
zu sagen:
„Keine weit´ren Fragen“

Wind treibt ein Zettelchen herbei,
ich bin so frei
es aufzuheben, es ist zu lesen:
Auch Gott ist einmal jung gewesen,
mit Spesen lässt sich´s gut genesen,
mancher Topf hat noch beide Henkel,
und wir beiden haben Enkel,
ich will nicht mit jenen traben,
welche keine Enkel haben,
manches geht mir auf den Senkel

Es kämmt ihr Haar die Lorelei,
singt ihre Litanei,
verteilt ihr Fluidum,
Maikäfer flieg,
Bienchen summ,
ich tanze durch die Orbitale,
spring von der einen auf die andre Schale,
Quantensprung, Quantensprung,
Quantensprung hält ewig jung

Meine Nummer ausgelost,
außer Tresen nichts gewesen - Prost!
Ansonsten ist mir´s einerlei,
ich hab ne Zahnbürste dabei

Was kann denn noch passieren?
Die Beherrschung verlieren?
Warum denn nicht?
Ich war noch nie gern Untertan,
denn Untertan ist kein Beruf,
ich bin ein Mensch,
so wie die Natur ihn schuf


Dieser Zyklus ist begonnen worden letztes Jahr (2022) im August, als ich wegen einer Herzoperation mit der so ganz unlyrischen Bezeichnung "Mitralklappen-Rekonstruktion" im Krankenhaus war. Das Schreiben daran wurde in der anschließenden Reha und in meiner Zeit der Rekonvaleszenz fortgesetzt. Endlich kam ich dazu, ihn ins Reine zu schreiben und abzuschließen. Dieses ist der elfte Teil von insgesamt dreizehn. Dass er ausgerechnet zu Vollmond gepostet wurde, ist einer dieser Zufälle, den ich gerne geplant hätte. . .


Das Bild „The quest“ ist von Bernard Hall (1859 - 1935), einem australischen Maler

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