Kein Wort verloren
So also:
Wundere mich über mich selbst,
dass mir noch immer Verse kommen,
unbestellt, wenn auch
insgeheim erhofft,
Tau des Alters
Reif des Herbstes
mir,
Kind des Friedens,
waghalsiges Wunder
Kontinentalverschiebung
und Annäherung zugleich
wundere mich auch
über andere Wunder,
über das Wunderbare selbst
und manchmal trage ich
eine Flöte bei mir
Nichts ist vorhersagbar
„Scheuche sie weg,
die weißen Engel!“
sagte meine Mutter zu mir,
wenig später: „Jörg,
ich sterbe wohl“,
„Ja“ antwortete ich
In diesen Minuten
unseres intimen Beisammenseins
wurde unsanft die Tür
geöffnet,
eine Schwester kam laut herein
Meine Mutter kam noch
einmal zurück,
um drei Tage später
zu sterben
Nichts ist vorhersagbar
Auch mein Sohn ließ sich Zeit:
Als er vierzehn Tage
nach dem anvisierten Termin
nicht ankam, verweigerte
unsere Hebamme die Hausgeburt
Auch im Krankenhaus dann
dauerte es noch,
und nach mehreren Stunden
Presswehen
entschieden sich die Ärzte für
Kaiserschnitt
Wenige Zeit später
hielt
ich den kleinen Kaiser im Arm
Er schaute mich an,
tiefernst und forschend
Nichts ist vorhersagbar
Es gibt vieles,
was ich nicht zu sagen vermag
In meinen Gedichten
ist es dennoch zu finden
Was nicht aus Liebe getan
ist wie ungetan
Worte fallen wie in tiefe Brunnen,
es gibt welche,
die nicht gut tun -
demnächst gehe ich wieder
in die Wälder,
wenn die Zeit dafür ist
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