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Montag, 18. September 2023

Zeit - weise

 


Zeit  -  weise

Es gab die, welche auf Menschen schossen,
und die, welche auf die Uhren schossen,
letzteres war selbstverständlich Tinnef,
als könne man stehenden Uhrens
die Zeit anhalten, das Tor zu öffnen,
welches hinaus führt aus den Wirren der Zeit,
als ließe sich die Mechanisierung
des Menschlichen so aufhalten

Versuch es - so als ein Experiment,
sagen wir mal: Etwa für eine Woche  -
Das „Etwa“ ist hier berechtigt,
denn vielleicht verlierst du dich.
Lege alle Uhren um dich herum still,
nehme Batterien und Akkus heraus,
stelle den Radiowecker stumm
und drehe den Kalender um

Wenn du kannst, dann geh in die Wälder,
dort gibt es nur Morgen Tag Abend Nacht,
an der Bushaltestelle
schau nicht auf den Fahrplan,
sei getrost, irgendwann kommt ein Bus.
Nenne dein Harren nicht warten,
nenne es Schauen, Lauschen,
Zeit verrinnt nicht,
ein Vogel singt, eine Nachbarin grüßt

Lerne zu schweigen von dem,
was du von Nahem erlebst,
erst das Schweigen verleiht
deinen Worten Kraft.
Vielleicht kehrst du frühzeitig
aus diesem Raum zurück -
was heißt denn schon „Eine Woche“?

Vielleicht verfällst du in Furcht,
jede und jeder, welche Fesseln ablegen,
und seien es nur die Handschellen
der Armbanduhren,
erleben früher oder später ähnliches,
als würden sie zerfallen,
sich aufteilen in die Einzeller des Urmeeres,
ein Zurück in der Zeit,
welches doch so eigentlich nicht möglich

Noch einmal: Wenn du zurückkehrst, schweige!
Nur soviel: Die welche auf Uhren schießen
sind mir allemal lieber,
als jene, welche auf Menschen schießen


Das Bild „Die Uhr“ ist von Ljubow Sergejewina Popowa (1889 - 1924)

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