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Samstag, 27. Mai 2023

Fast ein Jahr - Die Zukunft aller Gegenwart heißt Vergangenheit (IV)

 



Fast ein Jahr - Die Zukunft aller Gegenwart heißt Vergangenheit (IV)


Wie schön der Regen -
so lang schon ersehnt.
Groß ist meine Dankbarkeit,
die ich ausspreche,
stellvertretend
für Pflanzen und Gärten:

so stetig sanft fällt er,
dass die dürstende Erde
ihn empfangend trinken darf,
und kein Land
in grausen Sturzbächen versinkt

Wie ich, Erkrankter,
den spendenden Segen
erster Vorboten der Genesung
erahnen darf,
so fühle ich
mit Dir, geliebte Erde,
mir Mutter und Heimat zugleich



Lasst uns Fruchtbäume pflanzen,
dass wieder grünende Gärten
als ein schützendes Kleid
die verwundete Erde sanft bedecken

Lasst uns Lieder in den Himmel senden,
Segen
von Wolke zu Wolke tragen,
die Bäume wachsen lassen
in den Wüsten
der menschlichen Habgier



Wir können
den Regenbogen befragen,
jeden Morgen
nach den Farben schauen

Wir können
Saaten in den Garten tragen,
die kahlen Beete
bebauen

Wir können
arm sein oder reich,
uns wohl fühlen
ohne Vergleich

Wir können
wie Blätter sein,
unbeschrieben.
Wir können
uns lieben



Gott ist nicht groß,
eine Brennesselblüte nicht sehr virtuos
gebaut,
genau geschaut

Gott ist nicht klein
und passt doch
in jede Gänseblümchenschale
hinein

Gott ist Schimäre,
ist Kindersehnsucht,
was Dir geschieht,
was Du auch suchst,
auch tust:
Nimm Gott nicht als Flucht

Worte lassen sich wandeln
durch handeln,
und sieh:
Das Leben ist nicht groß,
einjede Blütenschale
ein Schoß
für künftige Früchte,

und sieh:
Das Leben ist nicht klein,
im Traum, die Gesichte,
sie flüstern Dir zu:

Ich bin das Leben,
ich will gelebt sein,
drum lebe auch Du

Dieser Zyklus ist begonnen worden letztes Jahr (2022) im August, als ich wegen einer Herzoperation mit der so ganz unlyrischen Bezeichnung "Mitralklappen-Rekonstruktion" im Krankenhaus war. Das Schreiben daran wurde in der anschließenden Reha und in meiner Zeit der Rekonvaleszenz fortgesetzt. Endlich kam ich dazu, ihn ins Reine zu schreiben und abzuschließen. Dieses ist der vierte Teil.

Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch, mit freundlicher Genehmigung der Hedi Kupfer Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin.

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