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Freitag, 7. Februar 2025

Zum Andenken an Peter Kropotkin

 



Zum Andenken an Peter Kropotkin (9. 12. 1842 - 8. 2. 1921)

Als Sohn eines Fürsten in Russland geboren, entwickelte er sich zu einem der einflussreichsten anarchistischen Schriftsteller. Zweimal wurde er zu fünf Jahren Gefängnishaft verurteilt. Das erste Mal 1874 wegen der Teilnahme an dem geheimen Diskussionskreis. Anarchistische Freunde sorgten für eine Verkürzung, indem sie ihm zur Flucht verhalfen. Das zweite Mal in Frankreich 1883 wegen Mitgliedschaft in der Internationale der Arbeiterbewegung. Für die Verkürzung dieser Strafe sorgten öffentliche Proteste renommierter Wissenschaftler.

„Ich hatte reichlich Gelegenheit, die Bauern, ihre Lebensweise und Gewohnheiten, im täglichen Leben zu beobachten, und noch mehr Gelegenheiten zu erkennen, wie wenig die staatliche Verwaltung, auch wenn sie von den besten Absichten beseelt war, ihnen zu bieten vermochte“

„In unserer Schule zielte alles darauf ab, uns zur Kriegsführung zu ertüchtigen. Wir würden aber mit derselben Begeisterung an das Trassieren einer Eisenbahn, oder Bestellen eines Feldes gegangen sein. Doch aller Drang unserer Jugend nach wirklicher Arbeit wurde mißachtet.“


Aus „Memoiren eines Revolutionärs“

Lenins Parole „Alle Macht den Räten“ war ganz im Sinne der Anarchisten. Aber Lenin vertrat sie nur aus taktischen Gründen. Tatsächlich bekämpfte er die russischen Anarchisten. In einer „Botschaft an die Arbeiter des Westens“ warnte Kropotkin:

„Ich bin der Ansicht, dass dieser Versuch, auf staatlich-zentralistischer Grundlage und unter dem eisernen Gesetz einer Parteidiktatur eine kommunistische Republik zu errichten, mit einem großen Fiasko enden wird. Russland lehrt uns, wie der Kommunismus sich nicht aufdrängen sollte.“

Die russische Übergangsregierung von 1917 will seine Popularität nutzen und bietet ihm den Posten des Bildungsministers an. Doch Kropotkin lehnt ab, weil er kein Staatsdiener sein will. Stattdessen macht er sich unter den aufstrebenden Bolschewiken unbeliebt. Er beklagt die Entwicklung des Kommunismus unter Lenin, prangert die Zentralisierung des Staates und das brutale Vorgehen gegen Dissidenten an.

Während zahlreiche seiner Mitstreiter in dieser Zeit politischen Säuberungen zum Opfer fallen, bleibt Kropotkin trotz seiner öffentlichen Kritik unbehelligt. Wahrscheinlich rettet ihm seine Beliebtheit in der Bevölkerung das Leben. So ist ihm ein natürlicher Tod vergönnt. Er stirbt am 8. Februar 1921 in Dmitrow bei Moskau im Alter von 78 Jahren.

Im Jahr 1892 erscheint „Die Eroberung des Brotes“, in dem er die Abschaffung des Staates und der Lohnarbeit fordert. Darin versucht er, die anarchistische Theorie nicht wirtschaftlich, sondern naturwissenschaftlich zu begründen. Die Grundlagen liefern ihm seine Beobachtungen unter den Einheimischen Sibiriens und deren Selbstorganisation. Seine zentrale Forderung lautet: „Wohlstand für alle!“

“Durch erhebliche Vorurteile, durch falsche Erziehung und Belehrung gewöhnt, überall nur die Regierung, die Gesetzgebung und die Magistratur zu sehen, sind wir zu dem Glauben gekommen, dass die Menschen sich wie wilde Tiere zerreißen würden, wo der Polizist nicht mehr sein Auge auf uns gerichtet hält, (…).Und doch stehen wir (…) tausend und abertausend menschlichen Gruppierungen gegenüber, die sich in freier Weise gebildet haben und bilden- OHNE die Intervention eines Gesetzes, und die unendlich viel Höheres vollbringen, als solche, die unter gouvernementale Oberherrschaft zu Stande kommen. (…)”

Aus: Die freie Vereinbarung (Aufsatz von 1892)

Im Jahr 1902 vollendet er sein wohl bedeutendstes Buch: „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“, seine Antwort auf den Sozialdarwinismus. Den damals weit verbreiteten Glauben an einen natürlich bedingten „Kampf ums Dasein“ sieht er als eine Drohung gegen Schwächere an. „Für die fortschrittliche Entwicklung der Art“, schreibt Kropotkin, sei die „gegenseitige Hilfe“ hingegen „weit wichtiger“.

„Die gegenseitige Hilfe ist ebensogut ein Naturgesetz wie der gegenseitige Kampf, für die progressive Entwicklung der Species (Art) ist er aber von viel größerer Wichtigkeit als der Kampf.“ Im Oktober 1902 erschien das Buch in London und wurde kurz nach der Publikation in verschiedene Sprachen übersetzt. 1904 wurde das Werk erstmals von Gustav Landauer ins Deutsche übersetzt. Ich selber habe es in meinem Bestand und lese immer wieder einmal darin. „Gegenseitige Hilfe“ als Motor der Evolution, was für ein freundlicher Gedanke. Obwohl das Buch nach seiner Publikation nur auf mäßiges Interesse in wissenschaftlichen Kreisen stieß, wurde es später bei der Reinterpretation von Darwins Thesen wiederentdeckt und beeinflusste moderne Naturwissenschaftler wie Imanishi Kinii, Ashley Montagu und Adolf Portmann. Nicht zuletzt in dem Bestseller „Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“ von Rutger Bregman (die deutsche Übersetzung erschien 2020 bei Rowohlt) taucht er wieder auf.



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