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Freitag, 7. April 2023

Aus der Wortwerkstatt: Passion

 




„Passion“ - Diesen Zyklus schrieb ich in jungen Jahren, ich war etwa Mitte zwanzig. Ich habe ihn bislang wenigen Menschen gezeigt, und bisher nur einmal auf einer Lesung vorgetragen, und auch das ist schon lange her. Ich habe eine gewisse Scheu, ihn zu zeigen. Zum einen ist es ein Jugendwerk, und entspricht nicht mehr dem, wie und was ich heute erarbeite, zum anderen liegt meine Scheu auch darin , dass ich eine gewisse Befürchtung hege, einer Art Religiosität „verdächtigt“ zu werden, die nicht die meine ist. Ich hatte mich damals dieses Themas angenommen, da mich die Geschichte der letzten Stunden des Menschen Jesu stark berührte, und ich dieses Thema für mich be- und verarbeiten wollte. In allen Aspekten und Facetten, die für mich darin enthalten waren. Es ist also weniger ein religiöser Zyklus, sondern eher eine Art Entdecken eines seelischen Nacherlebens, welches hier Ausdruck fand. Nichtsdestotrotz mag ich auch meine Jugendwerke, und bin bereit, auch diese Seite meines Erlebens zu zeigen, auch wenn die Zeit, als das geschrieben wurde, schon lange hinter mir liegt, und ich heute woanders stehe. Doch es ist auch ein Stück von mir.


Passion

Ich lote nach der Tiefe
meines Zorns.
Ich ziel nach meines Lebens
Ungewiss
und treffe ins Schwarze
meiner Trauer.


Auf dem Ölberge

„ Ich saß droben auf dem Felsen, Gott, Vater.
In der Wüste, die Tage ungezählt.
Der Versucher kam, versuchte mich.
Nicht Steine machte ich zu Brot.
Nicht der Engel Schwingen nahm ich mir.
Auch lernte ich nicht die Herrschaft
Über die Stämme der Welt.

„ Treu blieb ich Dir, Gott, Vater.
Nicht der Ruhm der Menschen verdarb mich,
Noch die Anbetung der Allzugläubigen
Hießen meinen Blick ohne Demut werden,
Und auch der Priester und Schriftgelehrten
Verzieh ich in den Winkeln meines Herzens.
Mir ward es schwer - doch ich lernte sie lieben.

„ Nun aber führte der Weg mich auf diesen Hügel.
Schwarz ringelt sich die Nacht heran.
Einsam ist es um mich, die Furcht ist tief,
Und niemand, der mich der Angst entnimmt -
Meine Gefährten schlafen, schon einmal ging ich,
Sie zu wecken, jedoch, es ist Nacht -
Schon betupfte der Schlaf wieder ihre Augen.

„ Nun führtest Du mich hierher, Gott, Vater,
Und sieh: Mein Leben hinter mir
Liegt wie ein Wahn und Gaukelspiel,
Mir, der zur Liebe ermahnte die Menschen,
Versagt jetzt der Mut -
Ungeliebt bin ich, verlassen,
in meiner schweren, schwersten Stunde.

„ Ich fürchte nicht den Tod, Gott, Vater,
Und doch, es ist ein Leid in mir,
Das lässt die Tränen mir versiegen, bitter,
Die Knie werden mir schwach und alt -
Nicht einmal des Nachtvogels Stimme
Dringt zu mir, so stille ists
In meiner schwarzen Bangigkeit.

„ Du weißt es, ganz genau weißt Du es.
Ich gehe diesen Weg bis an sein Ende.
Meine Seele verflog sich in ihre letzte Wüste -
Öde ists, so menschenleer die Nacht,
Der Himmel ohne blinkende Sterne. . .
Oh, wäre doch nur einer an der Stelle,
Mir mein wehes Herz zu wärmen!

„ Einst verließ ich die liebende Mutter -
Wie tat es ihr weh!
Ihr Sohn ging fort, verließ
Auch mit dem Herzen ihre blutende Seele -
Und auch mich schmerzte es.
Nur das Wissen um meinen Weg
Ließ mich sagen: Ich kenne dich nicht!

„ Verzeih mir, Mutter, nun weiß ich
Um die Trauer der Verlassenen,
Und wieder weiß ich um das Muss meines Weges. . .
Wehe, Mutter, wenn du morgen mich erblickst!
- - - Die Zeit entfloh mir,
Endlos ziehen die Stunden meiner Qual,
Nicht enden will mir diese Nacht - - -

„ Doch auch vor dem Tage graut mir.
Nie! Du weißt es Gott, Vater!
Nie widersetzte ich mich meinem Weg.
Immer ging ich die Pfade an ihr Ende, vertrauend,
Und gab, was immer mir gegeben, alles!
Nun gibt mir keiner, wo ich zu empfangen suche,
Wo meine Füße nicht mehr gehen möchten. . .

„ Gott! Vater! Sollte es denn möglich sein,
So nimm diesen Kelch von mir!
Lasse diese Nacht vergehen, und den Tag
Ohne Bitternis in den Abend verglühen.
Nicht fürchte ich den Tod,
Aber die Lust der Menschen an meinem Leide,
Diese Wunde brennt so tief!

„ Gott! Vater! Sollte es denn möglich sein,
So lasse diesen Kelch vorüberziehen,
Der Schmerz in mir ist übergroß -
Und ich so klein vor solcher Allmacht.
Gott! Mein Vater! Du aber weißt es,
Dass ich gehen werde, in die Nacht,
In meine dunkelste Nacht, als ein Menschensohn! “

Und in die Nacht hinaus
Erklang sein Weinen.


Auf dem Ölberge - Das zweite Gebet

In diese Dunkelheit hinein
fasst der Weltenraum mich an,
und er fühlt kalt, von
jenseits aller Kälte, der
ich wusste, wintertags.
Dies ist die Kälte, die
erstarren lässt,
wo selbst die Zeit erstarrt,
und jenseits aller Zeit und
unempfänglich jeden Glückes -
das heißt:
auch ohne Leben, jeder
Wandlung bar!
So ausgesondert von dem All
und Allem
lebe ich diese, meine
letzte Nacht als Mensch -
Nicht geboren bin ich,
um Märtyrer zu sein -
Märtyrer geben zu gerne
dem Leide sich hin, nicht mächtig
genug ist in ihnen die Liebe
zu allem Irdischen, sie sterben
gern, im Wissen um ihre Allmacht.
Mich aber schmerzt es, die bange
Einsamkeit des Unbekannten,
mich aber schmerzt die blanke
Lust an der Qual, am Martern,
in den Augen meiner Häscher.

Nicht mein Tod ist es, der mich
bangen macht, und auch nicht
die Schmerzen meines Körpers,
hin zum Tode. . .
Sieh! Dass ich so sterben muss,
in dieser Art: Bedeutet´s nicht,
dass andre töten müssen,
quälen müssen, einen Menschen, nur,
um der Erfüllung
Prophetenwortes willens?
Welch ein Irrsinn, welch ein Spiel
wird mir hier aufgetan?
Erlösen wollte ich, jedoch
nun treibe ich das Rad des Leidens
weiter an, auf, dass es rollt
in ferne, unbekannte Zeit. . .
Die Täter müssen büßen, einst,
Die Zeit wird heißen: Zeit
des Gerichts. Jedoch sie mussten
tun, um der Erlösung willen,
um ferner Zukunft Tat. -

Herr! Gott! Vater! Lass mich
halten dieses Rad ins Grenzenlose -
ich sehe tausendfachen Tod
in ferner Zeit -
Frucht einer Tat,
- dieser Tat! -
Oh! Noch liebe ich, ich kann
nicht anders, die Häscher, Mörder,
die dort kommen -
Herr! Gott! Vater! Warum
verließest du mich jetzt -
zu dieser Stunde?


Karfreitagstrauer

Gott ist die Liebe -
Die Liebe ist Gott,
eine Antwort
auf so viele Fragen.
Ich wollte dir
Gefolgschaft leisten,
nun seh ich Dich
ans Kreuz geschlagen!

Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich
verlassen?
Muss ich denn ewig -
hassen?


Späte Erkenntnis

Als der Vorhang zerriss,
und die Erde sich verdunkelte,
da ahnten wir,
dass dieser Mensch
wohl Gottes war. . .!

Jetzt, wo die Wüste wächst
und die Erde sich verdunkelt,
jetzt ahnen wir,
dass dieser Stern
wohl Gottes ist. . .!


Er lebt!

Es war ein Mächtigeres in Dir,
als Du starbst!

Was heißt hier sterben?
Die Liebe stirbt uns nicht!
Liebendes kann nicht verderben!
Geliebtes steht nicht vor Gericht!

Er lebt!
Nun wird in dieser Welt ein andres Sein!
Er lebt!
Und leben wird jetzt jeder Stein!

Er lebt!
Die Angst ist mir gebändigt!
Er lebt!
Auch meiner Seele Ostern wird bald sein!
Er lebt!
Die längste Nacht hat er beendigt!
Er lebt!
Und seine Sonne leuchtet mir ins Herz hinein!


Das Bild ist von Marianne von Werefkin (1860 - 1938)

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