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Samstag, 15. April 2023

Aus der Wortwerkstatt: Die Gedichte und Gesänge des Tobias Troibusch

 



Die Gedichte und Gesänge des Tobias Troibusch


I  Mein Lebenslied

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
wer hat dir das angetan?
Das angetan, was schon als Kind begann?
Troibusch, Troibusch, alter Mann.

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
dein Vater war ein Säufer dann,
der Mutter falscher Bräutigam,
Troibusch, Troibusch, alter Mann.

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
für dich gabs Schläge dann und wann,
mehr als ein Kind ertragen kann,
Troibusch, Troibusch, alter Mann.

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
der Schnaps hielt dich in seinem Bann,
du fingst doch wie der Vater an,
Troibusch, Troibusch, alter Mann.

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
nie fing dir ein neues Leben an,
ein Leben, das dir gut getan,
Troibusch, Troibusch, alter Mann.

Troibusch, Troibusch, alter Mann,
ist es denn zu Ende dann,
kommst du doch im Himmel an,
Troibusch, Troibusch, alter Mann!


II  Mahnung

Meine Eltern haben mich in dieses Leben gebracht,
es war weder ihr noch mein Wille,
ich hoffe, wenigstens der Akt hat ihnen Spaß gemacht,
alles danach waren Schläge und Stille,
eine Kindheit aus einsamer Nacht.

Es gibt keine verlorenen Töchter und Söhne,
doch eine Kindheit kann sehr verloren sein,
und dann versinkt all das eigentlich Schöne
im Treibsand der Zeit, und Trauer, unergründlich, kehrt ein,
das Orchester des Lebens spielt die dunkleren Töne.

Kein Kind flüchtet freiwillig in die Einsamkeit der Straße,
da ist Sehnsucht nach Geborgenheit und Gehaltensein,
doch manchmal hat das Leid ungeahnte Maße,
in Dunkelheit und Kälte und Unbill allein  -  
nein, kein Kind flüchtet einfach zum Spaße.

So hab auch ich den Sprung ins Ungewisse gewagt,
es kam die Nacht, da war alles zu viel,
ich musste hinaus, noch ehe es tagt,
so verschwand ich ohne Zukunft und Ziel,
bedenkt dies, bevor ihr mir euer Mitgefühl versagt.


III  Nächtliche Wünsche

Ich möcht so gern an die Mauer des Finanzamts pissen.
Noch gibt’s dort keine Kamera.
Wenn ich einmal muss, dann werd ich mussen müssen,
und ich bin keine Ge em be Ha.

Ich würde gerne in der stillen Ecke
beim Amtsgerichte urinieren.
Es gibt kaum andere Verstecke,
und ich würd nur plassen und nichts ruinieren.

Des weiteren möcht ich am Polizeipräsidium pinkeln.
Dort gibt es bei Regen Überdachung,
und ich triebe mich dort trotz Videoüberwachung
herum, und zwar in toten Winkeln.

Wer Bier verkauft und keine Toiletten baut,
dem wird der ganze Park versaut.


IV  Morgens, bei einer Dose Hühnersuppe

Die Kippen, die ich aufgelesen,
die sind schon beinah aufgeraucht.
Die letzte Nacht war kalt und feucht gewesen.
Es ist so wenig, was der Mensch doch braucht.

Ich wünsche Flügel auszubreiten,
Um Flügel auszubreiten, braucht es Raum.
Nicht, um ein Schritt vor und ein zurück zu schreiten.
Vom Fliegen handelt auch mein Traum.

Das Leben ist ein Wagnis.
Ein Brückenbau ins Ungewisse.
Selbst wenn es nach dunkler Nacht
denn wieder Tag ist,
hab ich keine Flagge, die ich hisse.


V  Billiger Wein

Ich lass Dich in die Kehle fließen
und ich werde Dich ehren
und genießen
als wärest Du
der edelste Chateau du Dings.
Der Kellerstar.
Ist das Leben nicht wunderbar?


VI  Liebe Stammtischbrüder

Ihr, die ihr mich verachtet,
denkt bloß nicht, ihr hättet Gott gepachtet.

Auf eure aufgewärmten Extasen
könnten ihr euch einen blasen.

Es sind ja sowieso nur Extäschen,
so wird’s auch nur ein Bläschen.

Und bevor ihr eine Frau verführt
macht ihrs so richtig kompliziert.

Glaubt nicht, dass ich mit eurem Bierbauchrausch
mein wunderbar verqueres Leben tausch

Nur wer oftmals Hunger hat
wird wenn, dann richtig satt!


VII  Aus(!)sagen

Wenn alles vorbei ist, alles zu Ende,
du pleite bist, und abgebrannt,
hältst nur dein Lichtlein in der Hand,
wenn du alles hinter dich gelassen hast,
was einmal für dich zählte,
was dich einst quälte,
dann kannst du es wagen
Aus! zu sagen.

Du brauchst nicht mehr,
was du einst doch zu brauchen meintest,
die Verluste überstanden,
über die du vormals weintest.
Du schnürst dein Bündel
und ziehst los,
so groß die Welt,
die Welt so groß!

Es weitet sich das Herz in deiner Brust,
und dir wird mehr und mehr bewusst,
dass du in Freude lebst,
dass du so lebendig bist,
und du verstehst,
was in dir beständig ist.

In allem, allem liegt dann Sinn,
du gibst dich dem Leben hin
und stellst keine Fragen.
Du erinnerst dich:
es begann damit,
Aus! zu sagen.
So groß die Welt,
die Welt so groß
und du ließest endlich los!

Du kannst glücklich sein,
solang du nicht vergisst,
dass jedes Glück
ein Augenblicksglück ist.

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