Am Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts gab es unter den deutschen Literaten eine Chinabegeisterung, die sich bis in die dreißiger Jahre fortsetzen sollte. Nicht nur Theosophen oder die Aussteiger rund um den Monte Verita in Ascona fanden im Tao Te King Weisheit, auch viele Schriftsteller orientierten sich an chinesischen Dichtern wie Li Tai Pe. Hermann Hesse war ein Verehrer dieses Dichters, und Klabund, Franz Blei, Hans Schiebelhuth, Albert Ehrenstein und viele andere widmeten sich Nachdichtungen chinesischer Lyrik.
Gedichte nach den unsterblichen des Li-Tai-Po
Ein Lebwohlsang von weißen Wolken
Die
weißen Wolken ziehen über Berge der Ferne,
So wie über die
Berge der Nähe hin.
Überallhin werden die weißen Wolken dir
folgen.
Sie
werden dir folgen überallhin –
Mit dir gehn, wenn du in Berge
der Ferne gehst,
Übersetzen mit dir über Wasser des großen
Stroms.
Drüben
über Wassern des großen Stroms,
Da ist dir ein Mantel von Efeu
zu tragen,
Und du darfst liegen in einem Bett aus weißem Gewölk.
Gehe schnell heim, o mein Freund!
Abschied von einem Freund
Blauberge
steigen auf jenseits der Nordmauer.
Den Ostteil der Stadt entlang
fließt das weiße Wasser.
Hier scheiden wir, Freund, ein für
alle mal.
Du reisest nun zehntausend Meilen, du treibst davon
Wie ein entwurzelt Wassergras.
O
die ziehenden Wolken und die Gedanken des Wandrers!
O der
Sonnenuntergang und die Sehnsucht des alten Freunds!
Wir reiten
hinweg voneinander, winken uns mit der Hand,
Derweil unsre Pferde
wiehern, leis, leis ...
Himmelslandtraum, ein Lebewohlsang
Die
Seefahrer erzählen von der östlichen Seligkeitsinsel.
Verloren
sei sie in einer Wildnis nebelhaften Gewogs.
Aber
das Süd-Himmelsland, wie die Leute gen Mittag sagen,
Soll
sichtbar sein durch schimmernder Wolken Bereich.
Dies
Himmelsland, quer sich erstreckend durch die Meilen der Ewigkeit,
Es
hebt sich über das Fünfgebirg und türmt sich über dem
Scharlachschloß,
Während der Tafelberg, so als staunte er davor
auf,
Mit seinen 40 und 8 Tausend-Fuß Höhe sich gegen Südosten
dehnt.
Ich
also, Verlangens zu träumen von den Südländern am Meer,
Flog
über den Spiegelsee eines Nachts unterm Mond.
Der
Mond im See befolgte mir meinen Flug,
Folgte mir nach bis an die
berühmte Stadt,
Wo noch das Haus steht des Dichterprinzen.
Ich
sah die grünen Wasser sich kräuseln und hörte der Affen schrilles
Geschrei!
Ich klomm, des Prinzen Holzschuhe angetan,
Himmelwärts
auf einer Leiter Wolken –
Und halbwegs oben vom Wall des
Weltgewölbs sah ich die Morgensonne
Und hörte den Himmelshahn
krähen in der heiteren Luft.
Dann wand zwischen tausend
Abgründen mein Weg sich [immer rundherum].
Blumen erstickten den
Pfad. Ohnmächtig sank ich hin.
Brüllende
Bären und heulende Drachen jagten mich auf. O die lärmenden Wasser
der Strudel!
Mit Zittern stand ich im tiefen Forst. Ich
schauderte vor den überhängenden Klippen, eine auf die andre
getürmt.
Wolken auf Wolken sammelten sich zu Häupten, Regen
drohend.
Das Wasser ergoß sich zu Füßen, im Nebel zerstäubend.
Ein
Donnerschlag dröhnte.
Die Berge zerbröckelten,
Das Steintor
ins Himmelsinnere tat weit sich auf, offenbarte
Ein ungeheures
Reich von unergründlichem Azur,
Sonne und Mond alle beide
scheinen auf goldne und silberne Schlösser.
In
Regenbogen berieselt und reitend auf dem Wind
Steigen die
Luftfeen herab wie Blumenflocken.
Die männlichen Geister der
Luft kamen zuletzt, dick waren sie wie Hanfstengel.
Phönixvögel
zogen ihre [Kreise], und Panther schlugen Harfen.
Entsetzen
erfüllte mich und Schrecken ergriff mein Herz.
Bestürzt hob ich
mich auf, und ach! ...
Ich erwachte und fand mein Bett und
Kissen.
Vorbei war die glänzende Traumwehwelt.
So
ist's im Leben mit allem, was uns erfreut.
Alle Dinge gehn
vorüber mit den ostwärts fließenden Wassern.
Ich verlaß dich
und geh – wann werde ich wiederkommen?
Laß du das weiße Reh
weiden unter den Waldsteinen.
Laß mich reisen, daß ich das
liebliche Gebirge besuche.
Wie könnt ich unterwürfig mich
beugen und den Machthabern dienen.
Es erwürgt mir die Seele.
Besuchsgang zu einem taoistischen Bergklausner, der nicht zu Hause war
Ein
Hund bellt auf von fern, wo leis die Wasser rauschen.
Die
Pfirsichblüte steht festlich, vom Regen genetzt.
Das Gehölz ist
so dicht, daß man zuweilen einem Hirsch begegnen kann.
Aber die
Mittagsglocke kann man nicht hören in dieser einsamen Schlucht.
Die
wilden Bambus wehn im blauen Dunst.
Am begrünten Felshang
funkeln fliegende Wasserfälle.
Wes Weges ist er gegangen? Nichts
ist, das es mir sagen könnte.
An eine Kiefer lehn ich mich
traurig hier und da.
Bei
der Zelle eines abwesenden Priesters
in den Bergen
Durch
einen Steinwall geh ich ins Rottal hinein.
Das Fichtentor ist
umdrängt von grünem Moos.
Zwar sind Zeichen von Vögeln auf den
verlaßnen Steigen,
Doch keines bedeutet mich, in die
Priesterklause einzudringen.
Ich guck durchs Fenster und seh an
der Wand
Den weißen Besen hängen, ganz verstaubt.
Ich
seufze der Enttäuschung gar vergeblich Seufzen.
Ich werde gehen,
doch versonnen trondle ich herum.
Süßduftige Wolken wehn den
Bergzug lang,
Ein Blumenregen fällt vom Himmel nieder.
Hier
kann ich die Glücksal der Einsamkeit fühlen
Und das Klagen der
Blauaffen hören.
O, welch eine Stille herrscht über diesem
Grunde,
Welche Abgeschiedenheit von allen Dingen der Welt!
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