Aus Dingefinders unergründlicher Plaudertasche oder: Auf einem Baum ein Kuckuck saß. . .
Heut in den frühen Morgenstunden hörte ich es laut und vernehmlich: Der Kuckuck ist wieder da. Schon vor einigen Tagen war er zu hören, etwas weiter entfernt, und ich hatte Glück: Ich hatte Geld in der Tasche. Denn es wird die Geschichte über die Generationen weiter getragen, dass, wenn im Jahre der erste Kuckucksruf gehört wird, die Geldbörse zu schütteln sei. Sofern darinnen Geld vorhanden ist. Dann werden das ganze weitere Jahr in dieser Geldbörse einige Piepen oder Moneten oder Thaler zu finden sein.
Nun bin ich nicht unbedingt leichtgläubig, oder gar abergläubisch, doch habe ich zur "Kuckuckszeit" immer etwas Geld im Säckel, Münzen tun es da am besten, die klimpern so lustig, wenn geschüttelt wird. Ihr wisst ja, wer beim ersten Kuckucksruf im Jahr Geld im Säckelhat, sollte diesen tunlichst schütteln, dann wird das gesamte weitere Jahr auch Geld darin sein. Auch wenn das Schütteln beim ersten Kuckucksruf des Jahres nicht unbedingt nützt, schaden tut es keinesfalls. Es ist also eine eher harmlose Marotte, wenn ich mich darüber freue, dass ich im richtigen Augenblick Geld dabei habe.
Manchmal reihen sich die Erinnerungen wie Perlen auf einer Kette aneinander. So ging es mir heute früh auch beim Kuckucksruf. Ich erinnerte mich an eine Begebenheit in meiner Kindheit, es müssen die Osterferien gewesen sein, denn ich war bei meiner Großmutter zu Besuch. In der Nähe ihrer Wohnung gab es den von mir so genannten Mirabellensee, ein kleines, stilles Gewässer mitten in der kleinen Stadt, um dessen Rund Mirabellenbäume wuchsen. Das war einer meiner Lieblingsorte in der kleinen Stadt, und wieder ging ich dort hin.
Unter einen dieser Mirabellenbäume standen zwei mir fremde Kinder an diesem Tag, und die beiden blickten nach oben und schüttelten dabei ihre Geldbörsen. Oben im Baum saß ein Vogel und rief laut und vernehmlich "Ruguuhruuh, ruguuhruuh". Die Kinder klärten mich auf, dass das ein Kuckuck sei, und dass daher die Geldbörsen zu schütteln seien.
Nun, ich wusste, wer dort oben "Ruguuuhruuhte", es hörte sich so ganz nach einer ordinären Stadttaube an. Doch mochte ich die beiden Kinder nicht durch mein Wissen aus ihren Träumen locken, sie waren einfach zu schön in ihrer Begeisterung. Nicht immer ist es wichtig, die "Wahrheit" zu sagen.
Als ich diesen Satz so für mich dachte, reihte sich die zweite Erinnerung ein. Da war ich schon älter, und eine liebe Freundin und ich saßen nächtens unter dem Sternenhimmel im Garten. Drinnen in dem kleinen Häuschen war Party, doch wir hatten uns in die Ruhe zurückgezogen. Zwischen all den Sternen des Himmels hindurch bewegte sich ein Stern besonders glänzend und funkelnd. "Oh, schau, ein wandernder Stern!", sagte die Freundin. Ich schaute, und ich wusste sofort: Das war ein Satellit, ödes Menschenmachwerk. Auch hier schwieg ich, denn die Freundin sah gar zu glücklich aus, ob ihrer Entdeckung.
Jahre später trafen wir uns wieder, und irgendwie und irgendwarum kam unser Gespräch auf die Begebenheit damals im Garten. Ich erzählte ihr, dass und warum ich da schwieg, und sie erzählte mir, dass sie im Moment des Aussprechens selber wusste, dass dort oben ein Satellit kreiste. Und dass sie mir sehr dankbar dafür war, dass ich sie nicht berichtigte. Denn sie wusste auch, dass ich es wusste.
Ja, Schweigen kann Gold sein. Nun ist es so, dass einige meiner Freundinnen und Freunde in unserem medialen Dschungel, in früheren, nicht digitalen Zeiten nannte man das "Blätterwald", unter einem medialen Baum stehen und in der Hoffnung auf eine goldene Zukunft verzweifelt ihre Geldbörsen schütteln. Solange oben auf dem Baum nur eine Taube oder ein Kuckuck sitzt, mag das ja ungefährlich sein, zumal, wenn es eine Friedenstaube ist.
Doch manchmal sitzt da oben auch der Geier oder gar eine Harpyie oder ein anderer Unglücksvogel, der sein "Ruguuuruuh, goldene Zukunft du, dort entlang du, ruguruuh" ruft. Ja, es kann durchaus sein, dass da unter dem falschen Baum geschüttelt wird.
Da ist es für schon schwieriger für mich, zu schweigen, doch das Sagen ist es genauso. Kaum jemand möchte darüber wissen, dass er oder sie unter dem falschen Baum dem falschen Vogel zugeschüttelt haben.
Eines weißt ich jedoch: Mit einer "Ich-weiß-es-aber-besser" - Mail, mit einem schadenfrohen "Ätsch, pass auf, dass Dir der Vogel nicht auf den Kopf scheißt" ist es nicht getan. Da braucht es die richtige Balance zwischen Abwarten und. . . ja, und persönlichem Gespräch. Dass der Mensch nicht nur hört, sondern auch sieht, spürt, fühlt, dass da jemand Besorgtes es Ernst meint. . . Da ruft der Kuckuck mir und uns zu: "Seit behutsam mit Euren Freundinnen und Freunden, kuckuck, kuckuck".
Diese Erkenntnis ist es, die ich an heutigen Morgen mitnehmen durfte. Allein schon dafür bin ich dem Kuckuck dankbar, selbst falls es mit dem Gelde mal nicht so klappen sollte. . .
Euch allen einen schönen Frühlingstag, wünscht Dingefinder Jörg
(Geschrieben 13. Mai 2020)
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