Topographie der Unwirklichkeiten
Die Besetzung der Worte,
meist unbemerkt
von den Sprechenden, von den Lauschenden,
Schattenarmeen verschieben Grenzpfähle,
Pakte werden geschlossen,
der Wortlaut verhüllt
in eingängige Phrasen,
wieder und wieder,
sorgsam geträufeltes Gift
in aller Ohren,
Heimlichtuer übernehmen lächelnd
(jenes süffisante, kaum merkliche Lächeln
der schlecht getarnten Überheblichkeit)
Terrain
Die Worte besetzt,
so auch die Gedanken ein besetztes Land,
widerstehe,
wenn der Wagenlenker
dir die Erleuchtung verspricht,
deren Preis es ist,
in den Krieg zu ziehen,
Erleuchtung ist es nicht wert,
dein pochendes Herz
zu verlieren
Das Herz ist namenlos,
ich vermag schwer zu benennen
was es umtreibt,
es sind die blühenden Linden vor dem Hause,
die Besorgnis um des Enkels
ungewisse Zukunft,
der brüchige Frieden, der uns umgibt,
das Summen der Bienen,
der leichte Wind,
welcher kleine Fliegen
im Schatten der Blutpflaume
tanzen lässt,
das Rollen der Traktoren am Sonntag,
die Gerste ist reif
Das Ahnen, das Wissen,
dass da etwas zu viel ist,
dass da etwas sich verkehrt:
der Überfluss der Steppen,
der Wälder, der Seen, der Meere
zerschmolz zu zwei Fischen
und fünf Laib Brot,
es klopfen die
Hungernden an unsere Türen
Der brüchige Frieden umgibt uns,
vergeblich die kleinen Fluchten,
doch ich bin so lindenleis gestimmt,
so friedvoll bienensumm,
mein Herz ein Wolkenweiß vernimmt,
es werden all die lauten Töne stumm
Schweige - schweige,
der Tag senkt sich zur Neige,
singe, sing es - und vergiss es wieder:
jeder Tag birgt neue Lieder
(Das Bild ist von Paul Klee (1879 - 1940)
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