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Samstag, 29. Oktober 2022

Nyx - An die Göttin der Nacht

 

 

 


 


 


 

 

 

Die Textzeilen   „. . .  hörst du. . . Lerchen. . .Lerchen flattern auf“ sind folgendem Gedicht von Victor Hadwiger entlehnt:

Wandlung

Ich war ein Vers im Liede deiner Liebe,
und ein Gedanke bin ich nun
in der Ballade deiner letzten Fahrt.
Dein Traum barg Gott und mich,
von deiner feinen Finger Meisterschaft,
von deiner wilden Wehmut stamm ich ab
und irrte als ein sanfter Reim durch dein Gedicht.
Du küsstest mich aus deiner Leidenschaft empor,
du riefst mich an die Wand, die mich umschloss,
und draußen lebte noch ein Tag. –
Sahst du die Lerchen? Lerchen flattern auf.
Und hörtest du den wehen, wilden Klang?
Es war die Schale, die zersprang,
das Haus, das meinen Siegeslauf,
das mich verschlang.
Es rötet sich mein Tag! Die Götter kehren um,
dein feierlicher Mund wird stumm,
das Land wird licht vor mir und uferlos die Glut,
ich bin der Bach, ich bin die Flut,
sanft neigt sich das Gelände meinem Lauf.
Horch, Lerchen! Hörst du, Lerchen flattern auf!

Victor Hadwiger (1878 – 1911) Aus: Wenn unter uns ein Wandrer ist  -  Ausgewählte Gedichte, aus dem Nachlass heraus gegeben von Anselm Ruest, A. R. Meyer Verlag, Berlin-Wilmersdorf, 1912      

Musik vom Dingefinder, Loopprogramm, Stimme, Samples (Excerpts from: Alfred Schnittke, The Musician and the Carillon; Maurice Ravel, Ma Mere;  Les Baxter, Aqueducts.)

Dingefinders LYRA: LYRA ist die Abkürzung für LYrikRAdio und bezieht sich auf die Audiospur. Die Bilder sind für YouTube dazu gekommen. Das Projekt verfolgt keinerlei kommerzielle Zwecke, weder der Blog (Dingeinders Lesebuch) noch der YouTube-Kanal sind monetarisiert. Die Reihe wird fortgesetzt.

DadaNyx - Eine Hommage an die Dichterin Emmy Hennings

    

1915, kurz nach ihrer Entlassung aus einem Gefängnis in München, wo sie wegen Beihilfe zur Fahnenflucht für mehrere Monate inhaftiert war, reiste Emmy Hennings zunächst nach Berlin, bevor sie zusammen mit Hugo Ball in die Schweiz emigrierte. Noch zu Beginn des ersten Weltkrieges meldete sich Hugo Ball als Freiwilliger zum Kriegsdienst, doch wurde er für untauglich erklärt. Mit der Absicht einen verwundeten Freund in Lunéville zu besuchen, bekam er dennoch einen Eindruck von der Kriegsfront. Dadurch, und auch, dass sich sein engster Freund als Mensch und Künstler, Hans Leybold, der zu Beginn des Krieges im Sommer 1914 eingezogen und schon bald vor Namur (Belgien) schwer verwundet wurde sich drei Tage nach seiner Rückkehr zum Regiment Anfang September erschoss, wandelte sich Hugo Ball in einen überzeugten Pazifisten und studierte anarchistische Literatur. Im Februar 1916 gründeten Emmy Hennings und Hugo Ball das Cabaret Voltaire in Zürich, zunächst in der Spiegelgasse.


Emmy Hennings, geboren am 17. Januar 1885 in Flensburg; gestorben am 10. August 1948 in Sorengo bei Lugano, unter anderem Mitbegründerin des legendären Cabaret Voltaire 1916 in Zürich.
                                  

Musik Intro: Dingefinder Jörg Krüger, Sampling; The Growing Concern - Edge of Time,  Intro (Album von 1968)

Claude Debussy – Elegie. Debussy schrieb seine Elegie im Dezember 1915, als er noch tief erschüttert von den verheerenden Ereignissen des Ersten Weltkriegs war. Kurz zuvor hatte er sich einer Krebsoperation unterzogen, von der er sich nie ganz erholte. Die Elegie war das einzige Klavierstück, das er in diesem Jahr schrieb.

 Alle weitere nicht besonders vermerkte Musik ist in Fredelsloher Sessions entstanden, in der Klosterkirche Fredelsloh und in der Alten Schule Fredelsloh. An den Sessions beteiligt waren Erd Ling Judith (Gesang, Perkussion), Susanne Bartens (Gitarre), Verlah Wo (Klavier), Klaus der Geiger (Geige), Frederike Herrlich (Gesang) und Dingefinder Jörg Krüger (Querflöte, Stimme, Ventilposaune).

 


Anmerkungen zu „Dadanyx“: „Betrunken taumeln …“, zitiert aus:

Betrunken taumeln alle Litfassäulen.
Dir gelten meine glühendsten Extasen!
Wie wir einst fromm die Frau vom Meere lasen
Und alle Regenwinde Deinen Namen heulen!
Vielleicht seh ich Dich einmal in den Parkanlagen.
Mein Kopf liegt schüchtern still in Deinen Händen
Und über die tiefen Wasser senden
Meine sterbenden Augen Grüsse - -

Emmy Hennings, eine Veröffentlichung wurde bislang nur einmal nachgewiesen: In der Zürcher Literaturzeitschrift Die Ähre. Entstanden 1916 in Zürich.

„O, das Klavier tut, was es kann“ und „In der Gasse wimmelt es von Gespenstern“, zitiert aus:

Die kleine Gasse am Abend

Bunte Mädchen lugen aus schmalen Fenstern.
Der Mond wirft geisterhaftes Licht;
Aus blauem Schatten ragt grelles Gesicht;
In der Gasse wimmelt es von Gespenstern.

Ein Droschkenkutscher hält sein Pferd umschlungen,
Und himmelhohe Liebe rauscht im Blut
Und die Rosen verkauft die kleine Rut –
Zu Mantua in Banden wird gesungen …

O, das Klavier tut, was es kann.
Gewiß, man spielt nicht schön, doch laut.
Ein Schlafbursche umarmt eine fremde Braut,
Schwört ewige Treue so dann und wann.

Emmy Hennings

 

Gedicht „Gesang zur Dämmerung“ für Hugo Ball von Emmy Hennings, erschienen 1916 im Kunst- und Literatursammelband „Cabaret Voltaire“

Musik: Arnold Schoenberg, aus: 6 kleine Klavierstücke Op 19, komponiert 1911; Danilo Perusina, piano.

"Der erste Dada-Abend, wo ich mitmachte, war am 23. März 1917. Das war in der Bahnhofstraße 19 in der Galerie Dada. Ich hatte auf dem Klavier zu spielen, ganz moderne Musik. Ich kannte schon von früher aus Deutschland die Musik von Arnold Schönberg . . . Ich war von dieser neuen dissonanten Musik so begeistert, dass ich das bei den Dadaisten propagiert habe. Ich spielte diese sechs kleinen Stücke von Schönberg. Eines gefiel mir besonders: Wie ein Geist, der seufzt, weit weg über der Erde oder schon im Himmel ist. Auch einige andere Stücke habe ich gespielt, die ich rhythmisch toll fand. . . . Dem damaligen Publikum war diese Musik völlig unbekannt . . ."

Suzanne Perrottet, aus: Ein bewegtes Leben (1989)


Betrunken taumeln … Siehe oben


Ihre eigene Dichtung hat Hennings zeitlebens mehr als freien Gesang und gläubiges Spiel und weniger als ein »Werk« verstanden. Als sich Carl Schmitt, zeitlebens ein grosser Bewunderer, 1924 nach neuen Gedichten erkundigt, antwortet sie ihm:

»Neue Gedichte sind nicht von mir erschienen. [...] Es heisst: das Leben fähret schnell dahin, als flögen wir davon. Warum sollte es mit den kleinen Reimen nicht ebenso gehen? Doch wenn Sie Lust haben, im Fluge einiges aufzufangen, sende ich Ihnen gerne eins. Wenn es verweht, macht es nichts. Wichtig bleibt nur die Lust zum Singen, mein ich, und es gefällt mir noch immer, scheint mir.« (Hennings: Brief an Carl Schmitt, [Herbst 1924])


 
Emmy Hennings (Ascona 1917), aus Helle Nacht, E. Reiß, 1922 (Titel „Gesichte 11“)


»Wir gehen im Rosengarten, da sind
Lilien und Blumen genug; wir wollen
unserer Schwester einen Kranz machen,
so wird sie sich vor uns freuen.«

(Jakob Böhme, » De triplici vita hominis«.)


Emmy Hennings, Auszug aus „Rosen“ (Ascona 1917, nicht veröffentlicht, zitiert aus „Emmy Hennings Dada;“ von Christa Baumberge und Nicola Bahrmann, Zürich 2015)


Emmy Hennings (Ascona 1917, nicht veröffentlicht, siehe oben)

 




Mechthild von Magdeburg, aus: Das fliessende Licht der Gottheit, Ausgewählt und übertragen von Sigmund Simon, Berlin 1907, Oesterheld & Co Verlag

Die Blume der deutschen Mystik keimte zuerst in den Klöstern. Schwester Mechtild von Magdeburg (1212–1294) schrieb ihr Buch vom fließenden Licht der Gottheit: voll seliger Versunkenheit in Christo. In ihren Ekstasen sah sie Jesus als schönen Jüngling (Schöner Jüngling, mich lüstet dein) ihre Zelle betreten, er war ihr wie ein Bräutigam zur Braut, und ihre himmlischen Sprüche sind wie irdische Liebeslieder. Ihre Gottesminne (Eia, liebe Gottesminne, umhalse stets die Seele mein!) war der Gottesminne des Wolfram tief verwandt. Die reine Minne (nicht jene höfische oder ritterliche oder bäurische Minne) galt ihr als oberstes Prinzip. „Dies Buch ist begonnen in der Minne, es soll auch enden in der Minne; denn es ist nichts so weise, so heilig, noch so schön, noch so stark, noch also vollkommen als die Minne.“ Mechtild von Magdeburg ist trunken vor Askese. Ihr Geist kennt die Wollust des Fleisches. Jesu ist ihr zärtliches Gespiel und sie ist seine Tänzerin. Meister Eckhard (1260–1327, gestorben in Köln), ihr mystischer Bruder, verhält sich zu ihr wie ein Kauz oder Uhu zu einer Libelle. Ihr Leben und Dichten war ein Schweben und Ja sagen, das seine ein tief in sich Beruhn und ein Entsagen. Er liebte das Leid um des Leides willen: jeder Schmerz war ihm eine Station zum Paradies. Er brach die Wunden, die in ihm verheilen oder verharschen wollten, künstlich wieder auf: daß nur sein Blut fließe. Seine Gedanken scheinen oft verschleiert, ja manche haben dunkle Kapuzen übers Haupt gezogen und sind ganz unerkennbar. Sein Buch der göttlichen Tröstung ist ein Trostbuch für die, die am Tode und am Leben leiden.

Klabund, das ist Alfred Henschke (1890  -  1928), aus: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde   -  Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart 1920 Dürr & Weber m. b. H. · Leipzig-Gaschwitz

 

Emmy Hennings, aus: Helle Nacht, Reiß, Berlin 1922


Im Video wurden Bilder verwendet von: Augusto Giacometti, Sarah Stilwell Weber (1878-1939), Marianne von Werefkin, Marcel Janco, Charles Rollo Peters, Jezef Pankiewicz, Henry Ossawa Tanner, Reinhold Rudolf Junghanns, Alice Pike Barney, Harold Burkedin, Francois Louis Schmied, Wassily Kandinsky, Albrecht de Vriendt, Lionel Feininger, Marcel Slodky, Edvard Munch, Julie Wolfthorn, August Macke, Ida Maly, Heinrich Campendonk, Gustav Klimt, Cornelia Paczka-Wagner, Franz Marc, Wilhelm Morgner, Kuzma Petrov-Vodkin, Arthur Segal, Albert Müller, Ferdinand Hodler, Else Berg, Arthur Segal, Anton Faistauer, Léon Spilliaert, Alphonse Palumbo, das letzte Bild im Video ist eine Blumencollage von Emmy Hennings.

Dingefinders LYRA: LYRA ist die Abkürzung für LYrikRAdio und bezieht sich auf die Audiospur. Die Bilder sind für YouTube dazu gekommen. Das Projekt verfolgt keinerlei kommerzielle Zwecke, weder der Blog (Dingeinders Lesebuch) noch der YouTube-Kanal sind monetarisiert. Die Reihe wird fortgesetzt.