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Mittwoch, 3. Mai 2023

Aus der Wortwerkstatt: Asylum

 



Asylum

Meine Trauer sucht Asyl in der Welt,
lebe in der Diaspora
mitten unter den Umtriebigen

Ist nicht über die Liebe
schon alles gesagt und gesungen worden?

Ich erheitere mich
am sanftblauen
Maienhimmel,
gehe den verwilderten Pfad
am Hügel im Kalkgestein,
wo das Meer einst seine
Wogen entließ,
nun sammele ich für
diesjährigen Sirup
Waldmeister,
und bei den Eschen, den Haseln
finde ich Morcheln,
weiter unten Georgsritterlinge

Georg, Erdarbeiter ist
auch mein Name

Die Schlüsselblumen sind noch nicht
gänzlich verblüht, und es sind überschüttet
mit Blütenglanz
die beiden Reineclaudenbäume,
die ich vor sieben Jahren pflanzte
ich hoffe, die Blüten
überdauern die kalten Nächte
rund um den Maienvollmomd,
ich vertraue auf die Hummeln,
die auch an kühlen Tagen fliegen

Alle Geheimnisse der Welt
darfst du verraten,
nur nicht, wo die großen grünen
Reineclauden reifen,
sie wollen nur geerntet werden,
wenn im August ihr Duft
die Gärten überschüttet

Wisse: Ihre Reife, ihr Duft, ihre
zartschmelzende Anmutung
ist nicht zu transportieren auf den Markt
du findest dort
nur lapidar zu früh geerntete grüne
Kugeln, „transportfähig“
sind sie fest
und bar ihres duftenden Schmelzes.

Soweit mein Vorausblick auf das Jahr.
Meine Trauer sucht Asyl in der Welt,
lebe in der Diaspora
mitten unter den Umtriebigen.


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