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Samstag, 28. Dezember 2024

13 Nächte - Die neunte und die zehnte Nacht

 

13 Nächte: 9. und 10. Nacht

9. Nacht

Neige dich, du Baum-Geflüster!
Näher wehet schon der Wald.
Zwischen Wolken, Welt-Geschwister,
Sirius erhebt sich bald.

Feld gebreitet in der Aue,
Vogelflug am Horizont.
Über Teichen schwingt der blaue
unermeßlich ferne Mond.

(Aus: Walter Rheiner - Insel der Seligen - Ein Abendlied 1918)


Ich komm als müder Nachtlandpilger
an Deine Schwelle, Sonnenlicht -
Aus einem Labyrinth verschlungner Pfade
steig ich vor Dein Angesicht.

Die Augen wund von Schau der Sterne,
doch jenen Himmel unerreicht,
so steh ich vor Dir, Weltenauge,
indes der Morgennebel weicht.

Ich öffne mich jetzt Deiner Klarheit
und singe Dir ein Dankgebet.
So wohl geführt in neue Tage
ist der, der hier jetzt vor Dir steht.

(Dingefinder)


10. Nacht

Wie mich der Garten still umfing,
als die lange Nacht zu Ende war.
Beruhigend grün im Morgensonnenschein.
Ein leiser Wind fuhr durch mein Haar.

Blüten glänzend aus der Wildnis,
die sich wuchernd aus sich selbst gebar.
So übernahm ich das Vermächtnis,
während ich die Bäume lächeln sah.

(Dingefinder)

Musik: Antje Mc Inerney, Keltische Harfe, mit freundlicher Genehmigung

Zu Walter Rheiner: Eigentlich Walter Heinrich Schnorrenberg, geboren am 18. März 1895 in Köln; gestorben am 12. Juni 1925 in Berlin-Charlottenburg), Schriftsteller des Expressionismus.

Als er 1914 zum Kriegsdienst berufen wurde, nahm Walther Rheiner erstmals Rauschmittel – er gab damit vor, drogensüchtig zu sein, um der Wehrpflicht zu entgehen. Trotz dieses Umstands wurde er eingezogen und mit Beginn des Ersten Weltkrieges an die russische Front beordert. Eine Entziehungskur scheiterte, sein Täuschungsversuch kam 1917 ans Licht, worauf er vom Dienst suspendiert wurde und nach Berlin übersiedelte. Aus seinem anfänglich gemäßigten Drogenkonsum entwickelte sich jedoch mehr und mehr eine Sucht nach Kokain und Morphinen, die ihm letztendlich zum Verhängnis wurde. In einer armseligen Unterkunft in der Charlottenburger Kantstraße setzte er seinem Leben am 12. Juni 1925 im Alter von 30 Jahren mit einer Überdosis Morphin selbst ein Ende.

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