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Montag, 19. August 2024

Wispernde Wogen

 



Wispernde Wogen


I  In der weißen Grotte

Wir wohnen
in der weißen Grotte
am Nachtmeer.
Unseren Schlaf
wissen wir behütet
von den ziehenden Sternen.
Des nachts
schauen Orion vorbei
und Sirius.

Zum Morgen hin
legen wir ein kleines
Feuer an,
für´s Frühstück.
Haben wir Hunger,
so sammeln wir Muscheln,
das Meer schenkt uns reichlich,
und irgendwo im Tale
wächst wilde Minze.

Wir lauschen dem Atem
des Ozeans, er singt uns
bis in die Träume nach,
die hohen stummen Felsen
lehren uns schweigen und schauen.
So vergehen Tag um Tag
im ruhigen Flusse,
im Gezeitenstrom,
in Einheit und Einfachheit.


II  Wispernde Wogen

Wispernde Wogen, des nachts
getragen an schwarzen Sand,
flüstern die Geheimnisse
der Mondgärten, langsam
wachsen wunderliche Pflanzen
in den Hainen der Träume,
schaumgeborene Wesen und
siebenarmige Seesterne,
lila gefärbt durchscheinende Meerschnecken,
spiralgeborene Kinder des Meeres.

Wispernde Wogen, des nachts,
sie flüstern von den
unahnbaren Geheimnissen
des großen grünen Wunders Meer.


III  Morgenmeer

Das Meer ist sanft und glatt wie ein Spiegel
und es spiegelt die ganze Welt.
Es sind alle Träume der Urzeiten
versunken in ihm.
Das Meer ist die weite Seele der Welt.

Heute hat sie Ruhe gefunden,
sie nimmt die Weite des Himmels
in sich auf
und trinkt die Farben des Morgens.

Das Meer liegt still.
Die leisen Wellen
tragen Sonnenflimmer
an den Horizont.
Wie eine weite glänzende Tafel
reicht das Meer an den Himmel.

So werden unsere geläuterten Seelen
eins mit der Ruhe der Meeresmutter
und auch in uns
ergießt sich die heilende Kraft
des Morgenmeeres.


IV  Entlegene Tage

Wer
bin ich?
Ich rief meine Seele -
und tausendfältiges
Echo.

Puls des Ozeans,
unterschiedslos
lagert das Meer
am Saum der Nacht,

spült im Drehen
der Formen
die gewundenen Muscheln
in den Schoß aus Sand.

Dieser Zyklus beruht auf ein reales Erleben, als meine damalige Gefährtin und ich Ende der Achtziger für eine Zeit an einem ganz einsamen Strand (mit schwarzem Sand) im Nordwesten von Teneriffa lebten. Wenn man eine dreiviertel Stunde zu Fuß ging, gelangte man an Frischwasser, dort wuchs auch wilde Minze, und da wir uns diesen Ort für eine Fastenzeit ausgesucht hatten, war im Grunde für alles gesorgt. Und als Speise zum Fastenbrechen sammelten wir Lapas (Napfschnecken), die wir zusammen mit Miso und etwas Hirse zu einer Suppe kochten.

Das Bild "Sonnenuntergang am Meer" ist von Ludwig de Laveaux. (1868 - 1894)

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