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Freitag, 27. Januar 2023

Ein Lebwohlsang von weißen Wolken - Nachdichtungen chinesischer Lyrik

 


Am Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts gab es unter den deutschen Literaten eine Chinabegeisterung, die sich bis in die dreißiger Jahre fortsetzen sollte. Nicht nur Theosophen oder die Aussteiger rund um den Monte Verita in Ascona fanden im Tao Te King Weisheit, auch viele Schriftsteller orientierten sich an chinesischen Dichtern wie Li Tai Pe. Hermann Hesse war ein Verehrer dieses Dichters, und Klabund, Franz Blei, Hans Schiebelhuth, Albert Ehrenstein und viele andere widmeten sich Nachdichtungen chinesischer Lyrik.


Gedichte nach den unsterblichen des Li-Tai-Po


Ein Lebwohlsang von weißen Wolken

Die weißen Wolken ziehen über Berge der Ferne,
So wie über die Berge der Nähe hin.
Überallhin werden die weißen Wolken dir folgen.

Sie werden dir folgen überallhin –
Mit dir gehn, wenn du in Berge der Ferne gehst,
Übersetzen mit dir über Wasser des großen Stroms.

Drüben über Wassern des großen Stroms,
Da ist dir ein Mantel von Efeu zu tragen,
Und du darfst liegen in einem Bett aus weißem Gewölk.

Gehe schnell heim, o mein Freund!


Abschied von einem Freund

Blauberge steigen auf jenseits der Nordmauer.
Den Ostteil der Stadt entlang fließt das weiße Wasser.
Hier scheiden wir, Freund, ein für alle mal.
Du reisest nun zehntausend Meilen, du treibst davon
Wie ein entwurzelt Wassergras.

O die ziehenden Wolken und die Gedanken des Wandrers!
O der Sonnenuntergang und die Sehnsucht des alten Freunds!
Wir reiten hinweg voneinander, winken uns mit der Hand,
Derweil unsre Pferde wiehern, leis, leis ...


Himmelslandtraum, ein Lebewohlsang

Die Seefahrer erzählen von der östlichen Seligkeitsinsel.
Verloren sei sie in einer Wildnis nebelhaften Gewogs.

Aber das Süd-Himmelsland, wie die Leute gen Mittag sagen,
Soll sichtbar sein durch schimmernder Wolken Bereich.

Dies Himmelsland, quer sich erstreckend durch die Meilen der Ewigkeit,
Es hebt sich über das Fünfgebirg und türmt sich über dem Scharlachschloß,
Während der Tafelberg, so als staunte er davor auf,
Mit seinen 40 und 8 Tausend-Fuß Höhe sich gegen Südosten dehnt.

Ich also, Verlangens zu träumen von den Südländern am Meer,
Flog über den Spiegelsee eines Nachts unterm Mond.

Der Mond im See befolgte mir meinen Flug,
Folgte mir nach bis an die berühmte Stadt,
Wo noch das Haus steht des Dichterprinzen.
Ich sah die grünen Wasser sich kräuseln und hörte der Affen schrilles Geschrei!
Ich klomm, des Prinzen Holzschuhe angetan,
Himmelwärts auf einer Leiter Wolken –
Und halbwegs oben vom Wall des Weltgewölbs sah ich die Morgensonne
Und hörte den Himmelshahn krähen in der heiteren Luft.
Dann wand zwischen tausend Abgründen mein Weg sich [immer rundherum].
Blumen erstickten den Pfad. Ohnmächtig sank ich hin.

Brüllende Bären und heulende Drachen jagten mich auf. O die lärmenden Wasser der Strudel!
Mit Zittern stand ich im tiefen Forst. Ich schauderte vor den überhängenden Klippen, eine auf die andre getürmt.
Wolken auf Wolken sammelten sich zu Häupten, Regen drohend.
Das Wasser ergoß sich zu Füßen, im Nebel zerstäubend.

Ein Donnerschlag dröhnte.
Die Berge zerbröckelten,
Das Steintor ins Himmelsinnere tat weit sich auf, offenbarte
Ein ungeheures Reich von unergründlichem Azur,
Sonne und Mond alle beide scheinen auf goldne und silberne Schlösser.

In Regenbogen berieselt und reitend auf dem Wind
Steigen die Luftfeen herab wie Blumenflocken.
Die männlichen Geister der Luft kamen zuletzt, dick waren sie wie Hanfstengel.

Phönixvögel zogen ihre [Kreise], und Panther schlugen Harfen.
Entsetzen erfüllte mich und Schrecken ergriff mein Herz.
Bestürzt hob ich mich auf, und ach! ...
Ich erwachte und fand mein Bett und Kissen.
Vorbei war die glänzende Traumwehwelt.

So ist's im Leben mit allem, was uns erfreut.
Alle Dinge gehn vorüber mit den ostwärts fließenden Wassern.
Ich verlaß dich und geh – wann werde ich wiederkommen?
Laß du das weiße Reh weiden unter den Waldsteinen.
Laß mich reisen, daß ich das liebliche Gebirge besuche.
Wie könnt ich unterwürfig mich beugen und den Machthabern dienen.
Es erwürgt mir die Seele.


Besuchsgang zu einem taoistischen Bergklausner, der nicht zu Hause war

Ein Hund bellt auf von fern, wo leis die Wasser rauschen.
Die Pfirsichblüte steht festlich, vom Regen genetzt.
Das Gehölz ist so dicht, daß man zuweilen einem Hirsch begegnen kann.
Aber die Mittagsglocke kann man nicht hören in dieser einsamen Schlucht.
Die wilden Bambus wehn im blauen Dunst.
Am begrünten Felshang funkeln fliegende Wasserfälle.
Wes Weges ist er gegangen? Nichts ist, das es mir sagen könnte.
An eine Kiefer lehn ich mich traurig hier und da.

Bei der Zelle eines abwesenden Priesters
in den Bergen

Durch einen Steinwall geh ich ins Rottal hinein.
Das Fichtentor ist umdrängt von grünem Moos.
Zwar sind Zeichen von Vögeln auf den verlaßnen Steigen,
Doch keines bedeutet mich, in die Priesterklause einzudringen.
Ich guck durchs Fenster und seh an der Wand
Den weißen Besen hängen, ganz verstaubt.
Ich seufze der Enttäuschung gar vergeblich Seufzen.
Ich werde gehen, doch versonnen trondle ich herum.
Süßduftige Wolken wehn den Bergzug lang,
Ein Blumenregen fällt vom Himmel nieder.
Hier kann ich die Glücksal der Einsamkeit fühlen
Und das Klagen der Blauaffen hören.
O, welch eine Stille herrscht über diesem Grunde,
Welche Abgeschiedenheit von allen Dingen der Welt!


Die Nachdichtungen der Gedichte von Li-Tai-Po sind von dem Dichter Hans Schiebelhuth. (geboren am 11. Oktober 1895 in Darmstadt; gestorben am 14. Januar 1944 in East Hampton, New York, USA). Sie entstammen genauso wie die Eingangsgrafik dem Buch Gedichte nach den unsterblichen des Li-Tai-Po


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