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Mittwoch, 2. August 2017

Heimkehr

Andrea Rausch (Fredelsloh): Kleine Hütten im Wald


Heimkehr

Stadtluft vermöge frei zu machen - mir Heutigem klingt das bizarr.
Ich kann kaum atmen dort, ich halte es in Städten nicht sehr lange aus.
In klammen dunklen Bauernstuben war dies Wort wohl wahr:
Enges Dorf, kalte Liebe, schnelle Schläge, Rauch ums Haus.

Für Häusler, Knechte, Mägde war das Dorf kein heimeliger Hort,
Auch wenn es Dichter gerne als Idyll verklärten, beinah das Paradies.
Flammenschlagend schickten Cherubim die Ärmsten vom Edentore fort,
So dass in Nacht und Flucht der Mutige das Dorf verließ.

Doch unmodern wähl ich Heutiger den Weg des Dichters Tau Tjiàn,
Weil mich der Stadtlärm taub macht, mich Stadtluft zum Ersticken bringt.
Ich werde stadtkrank dort, stumpf, leer und gleichsam unbeseelt.

So kam auch ich nach langer Wanderung im Dorfe an:
„Nun fand ich wieder zurück zu mir selbst“, wie dieser Dichter singt,
Nicht selbstgewählte Armut, es ist Reichtum, selbstgewählt.

Zur Erklärung: In jungen Jahren fand ich in dem Buch "Lyrik des Ostens" ein Gedicht des chinesischen Dichters Tau Tjiàn (in anderer, bekannterer Schreibweise Tao Yuanming), der in den Jahren 372 - 472 lebte, mit dem Titel "Heimkehr zum Leben in Garten und Feld", aus dem ich hier zitieren möchte:

"Ungleich war ich als Jüngling der Menge;
In meinem Herzen liebt ich die Berge.

Irrend fiel ich in Schmutz und Verstrickung
Band mich für dreißig Jahre die Welt.

Der wandernde Vogel sehn sich heim zum Walde.
Dem Fisch im Teich bleibt unvergesslich sein See.

Gut anderthalb Morgen sind mein Besitztum,
Und unter dem Strohdach reicht mir der Raum.

Ulmen und Weiden beschatten hinten den Umgang
Pfirsiche, Pflaumen wachsen im Hof.

Verschwommen und ferne wohnen die Menschen.
Dunstig und still steht der Rauch überm Dorf.

Hunde bellen tief in langen Gassen.
Hähne krähen oben auf den Maulbeerbäumen.

Schwelle und Hof liegen in reinlicher Ordnung.
Im leeren Hause herrscht Stille und Frieden.

Lang war die Zeit in Käfig und Zwinger:
Nun fand ich wieder zurück zu mir selbst."


Übersetzung: Peter Olbricht

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